Call me Paris

Welten treffen an diesem Abend im Globe der Schaubühne am Lehniner Platz aufeinander. Im Zentrum, auf der schmalen Spielfläche, arbeiten sich drei Schauspielerinnen des Ensembles (Jule Böwe, Ruth Rosenfeld, Alina Stiegler) daran ab, ein It-Girl der 2000er Jahre vor den Augen des Publiums wiederauferstehen zu lassen. Der Look ist bewusst hypersexualisiert (Kostüme: Elke von Sivers), die begleitende Tonspur erschreckend banal (Text und Regie: Yana Eva Thönnes).

Im Halbkreis sitzt gut situiertes, überwiegend älteres, Ku´damm-Klientel-Publikum um die Bühne herum. Schon früh wird klar: Inszenierung und ein Großteil des Publikums finden nicht zueinander. 100 Minuten lang Grummeln, Tuscheln und Kopfschütteln im Auditorium, während die hochkarätigen, unterforderten Spielerinnen den Missbrauch des It-Girls nacherzählen, das von Upskirting-Stalkern gejagt und mit einem in der Frühphase des Internets viral gegangenen Sex Tape-Video ihres Ex-Freunds bloßgestellt wurde. 

Worum es der jungen Regisseurin Yana Eva Thönnes geht, wird im umfangreichen Programmheft ausführlich dargelegt und auch in den 100 Minuten überdeutlich ausbuchstabiert: die Nuller Jahre waren aus der Sicht von Thönnes, die 1990 geboren ist und als Teenagerin Zeitzeugin war, eine furchtbar misogyne Zeit. Gespiegelt wird der Missbrauch an Hilton, die sich – O-Ton ihrer Autobiographie „electronically raped“ – fühlte, durch eine fiktive junge Frau aus Bergisch Gladbach, die Paris Hilton ähnlich sieht und eine sehr ähnliche Missbrauchserfahrung machen muss.

Der Theaterabend, der als Koproduktion mit weiteren Bühnen aus Litauen und Italien schon am 1. Juni bei der renommierten Biennale di Venezia Premiere hatte, erzählt dies alles überraschend konventionell. Ganz anders als in der düster-raunenden, ein Trauma seance-artig verarbeitenden ersten Schaubühnen-Abend „In Memory of Doris Bither“ vor zwei Jahren.

Mit der Berlin-Premiere wurde „Call me Paris“ am 29. Oktober 2025 ins Schaubühnen-Repertoire übernommen.

Bild: Philip Frowein

 

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