Silvester ist am Berliner Ensemble schon gerettet. Es sind zwar noch zwei Monate bis zum Jahreswechsel, aber Antú Romero Nunes, Co-Schauspielchef in Basel, hat seinem Kollegen Oliver Reese bereits jetzt einen beschwingt-beschwipsten Komödienabend mit viel Slapstick, Rollentausch, Mitsing-Elementen und schönen schauspielerischen Einlagen geschenkt.
William Shakespeare geht immer, dachten sich Reese und Nunes. Auf den großen Dichter aus dem Elisabethanischen Zeitalter hat sich Nunes in den vergangenen Jahren eingeschossen. Sein „Sommernachtstraum“ aus Basel war 2023 beim Theatertreffen eingeladen, im September eröffnete er seine Bühne in der Nordwest-Schweiz mit dem „Hamlet“. Nun also in Berlin „Was ihr wollt“ in der Übersetzung von Thomas Brasch, eines früheren Nachbarn des Hauses am Schiffbauerdamm.
Es gäbe mehrere Arten, diesen Shakespeare-Klassiker zu inszenieren. Die Cross-Gender-Identitätssuche könnte auch Grundlage für eine Lecture Performance im Gender Studies-Proseminar-Stil sein. Doch Nunes gibt dem Affen die größtmögliche Dosis Zucker und lässt sein Ensemble Komödie mit Vollgas ohne doppelten Boden spielen.
Manche Figur gerät zur Karikatur, eine so facettenreiche Spielerin wie Pauline Knof ist als klischeehaftes Girlie in der Rolle der Maria unterfordert. Vor der Pause verzettelt sich der Abend zu sehr in Albernheiten, wird zur Ballermann-Mitsing-Comedy von „Halt Dein Maul“, reiht ein paar zu viele Slapstick-Einfälle aneinander.
Dass die Inszenierung dennoch gelingt, liegt an zwei Faktoren: die kindliche Freude am Spiel ist ein Markenzeichen von Nunes. Doch er weiß, was er tut. Als eine der etablierten Regie-Größen im Theaterbetrieb erkennt er, wann es zu klamaukig wird und bremst in der Regel rechtzeitig ab. In den besten Momenten gelingen ihm sogar so poetische Abende wie als Thalia-Haus-Regisseur in den 2010er Jahren. Davon ist diese BE-Komödie ein ganzes Stück entfernt, die Nunes so abliefert wie erwartet und bestellt.
Zweitens gelingt der Abend wegen starker schauspielerischer Leistungen, die aufblitzen lassen, was hier noch möglich wäre, aber im Komödien-Trubel nicht abgerufen wurde: Bettina Hoppe, die seit 2009 mit Reese arbeitet, ist ein hervorragender Malvolio, der zu spät erkennt, dass er von den anderen in die Falle gelockt und vorgeführt wird. Vor allem ist aber auch Sebastian Zimmler zu nennen, der nach dem Studium an der HfS Ernst Busch ans Hamburger Thalia Theater ging und nun in seine Geburtsstadt zurückkehrt. Zum Einstand am BE gibt er eine zart-verletztliche Olivia, die hinter ihrem Trauerschleier erst wie erstarrt wirkt und dann wachgeküsst wird.
Das Publikum reagierte mit Standing Ovations im BE-Stil: routinierter Beifall zu Beginn, dann stehen die ersten Seniorinnen auf, zögerlich folgt ein großer Teil des restlichen Publikums und spendet langanhaltenden Applaus.
„Was ihr wollt“ hatte am 31. Oktober 2025 im Großen Haus des Berliner Ensembles Premiere.
Bilder: Jörg Brüggemann