Der Prozess

Beeindruckend ist, wie prominent Orson Welles seine Roman-Verfilmung bis in die Nebenrollen besetzt hat: Romy Schneider ist als lasziv-verführerische Leni zu erleben, Jeanne Moreau spielt das Fräulein Bürstner als von ihren Auftritten im Nachtleben gestresste Frau, den Rechtsanwalt Hastler spielt Regisseur Welles schwitzend im Bett liegend selbst, die Hauptrolle des Josef K., der die Welt nicht mehr versteht, übernahm Anthony Perkins, der zwei Jahre zuvor mit Alfred Hitchcocks „Psycho“ zum Star geworden war.

Den lakonischen Kafka-Ton trifft Welles, der auch selbst die Drehbuch-Fassung schrieb, am besten in der Eröffnungs-Sequenz „Vor dem Gesetz“ über das vergebliche Warten auf Einlass. Einen weiteren Höhepunkt gibt es in einer fiebrigen Albtraum-Sequenz kurz vor Schluss, die mit Lichteffekten spielt und K. vor den Mädchen aus dem Maler-Atelier fliehen lässt.

Doch in den 118 Minuten dazwischen enttäuscht die Roman-Adaption de berühmten Fragments. Schon die zeitgenössischen Kritiken aus dem Jahr 1962 fanden, dass Welles es nicht schaffe, den sehr eigenen Kafka-Ton zu treffen und zu transportieren. Brav folgt „Le Procès“, der auf Englisch vor allem in Paris gedreht wurde, den wichtigsten Stationen der Vorlage, die Welles in einen tödlichen Knalleffekt münden lässt. „Der Prozess“ ist eine gediegene Literaturverfilmung, begleitet vom Adagio g-Moll für Streicher und Orgel von Tomaso Albinoni, die nur noch selten in Programmkinos oder auf arte zu sehen ist.

Bilder: Kinowelt GmbH

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