Starker Jahrgang bei der 8. cineastischen Weltreise „Around the world in 14 films“ 2013

25 % mehr Zuschauer waren der verdiente Lohn für eine erlesene Filmauswahl bei der 8. Auflage des Around the world in 14 filmsFestivals, das in der ersten Adventswoche im Berliner Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz stattfand.

2013 war ein starker und hochpolitischer Jahrgang. Besonders hervorzuheben sind Manuscripts don´t burn von Mohammad Rasoulof, Le Capital von Altmeister Costa-Gavras, Like father, like son von Hirokazu Kore-eda und The Missing picture von Rithy Pan.

Aus dem Iran bekamen wir in den vergangenen Jahren viele Parabeln zu sehen, die kunstvoll verrätselt die Grenzen des Sag- und Zeigbaren ausloteten. Ganz anders Mohammad Rasoulof, der bereits mit seinen letzten Filmen in Konflikt mit dem iranischen Regime geriet und es in seinem neuen Werk dennoch frontal angeht: Rasoulof zeigt in eindringlichen Bildern, wie Sicherheitskräfte kritische Autoren unter Druck setzen. Die Zuschauer erleben den aalglatten Seitenwechsler, der eine hohe Stelle im Geheimdienstapparat übernahm und die ehemaligen Weggefährten mit Finten und einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche lockt. Auch die unteren Ränge, die die Drecksarbeit bei der Folter und beim Kidnapping verrichten, werden porträtiert, in einem Nebenstrang geht es um die Sorgen eines Mannes um sein krankes Kind und seine Mühe, die Krankenhausrechnung bezahlen zu können.

Manuscripts don´t burnder Titel spielt auf eine Zeile aus Bulgakows Werken zur Zeit des Stalinismus an – ist ein sehr mutiger, fordernder Film, der unter schwersten Bedingungen heimlich in Teheran und Hamburg gedreht wurde und auch das heiße Eisen der sogenannten Kettenmorde in den 90er Jahren thematisiert. Aus Sicherheitsgründen taucht außer dem Regisseur kein weiterer Name im Abspann auf. Rasoulof darf nach diesem provozierenden Film nicht aus dem Iran ausreisen, zwei seiner Darsteller leben derzeit in Deutschland, waren kurz auf der Bühne, blieben aber aus nachvollziehbaren Gründen beim Gespräch mit dem Festivaldirektor Bernhard Karl und dem Film-Paten Wim Wenders sehr wortkarg.

Der Film wurde in der Reihe Un certain regard in Cannes ausgezeichnet und wartet in Deutschland immer noch auf einen Verleih.

Le Capital von Costa-Gavras ist ein eleganter Polkt-Thriller aus der Finanzwelt, den man mehr als einmal sehen sollte, um dieses Geflecht aus Intrigen und schmutzigen Tricks ganz zu durchdringen. Mit Verfremdungseffekten wie in House of Cards spricht der Hauptdarsteller das Publikum immer wieder direkt an. Der Hauptdarsteller Marc Tourneuil (gespielt von Gad Elmaleh) wird nach einem gesundheitlichen Kollaps des Patriarchen als vermeintlich leicht steuerbare Marionette an der Spitze des Bankhauses installiert. Heuschrecken aus den USA planen eine feindliche Übernahme, ein Model umgarnt ihn mit undurchschaubaren Absichten, ein Einstieg im Asien-Geschäft soll ihn in eine Falle locken. Mit postmarxistisch-ernüchtertem Blick und der stilistischen Handschrift des Altmeisters entfaltet Costa-Gavras ein sehenswertes Drama aus der Parallel-Welt der Hoch-Finanz. Auch dieser Film hat noch keinen deutschen Verleih.

Ganz auf das Private konzentrierte sich Hirokazu Kore-eda in Like father, like son: bei Einschulungstests stellt sich heraus, dass die Krankenschwester mutwillig zwei Jungen nach der Geburt vertauschte. Während Keita mit Klavierunterricht und Leistungsdruck als Einzelkind im Haus eines überarbeiteten Top-Managers aufwächst, landet das andere Kind bei einem Vater, der in den Tag hineinlebt und keine klaren Erziehungsregeln vorgibt.

Zwei Stunden lang entfaltet sich ein berührendes Drama: Der Manager berät sich mit seinem Anwalt und möchte der anderen Familie das Kind abkaufen, die das entrüstet ablehnt. Als es zu einem Probetausch kommt, fühlt sich der Junge im kühlen Ambiente des Großbürgertums unwohl. Der Film lebt von den starken schauspielerischen Leistungen der Erwachsenen und Kinder, von seiner genauen, einfühlsamen Beobachtung der Prozesse und seiner durchdachten Konstruktion, und wurde in Cannes zurecht mit einem der Hauptpreise ausgezeichnet.

Stilistisch gelungen und politisch hochinteressant: diese seltene Kombination trifft auf Rithy Panhs The Missing Picture. Dieser dokumentarische Essay, der in Cannes den Hauptpreis der Reihe Un certain regard erhielt, hätte mehr Zuschauer verdient gehabt, als sich am späten Abend im Babylon einfanden. Mit kunstvollen Holzpuppen illustriert Panh seine autobiographischen Erinnerungen an Pol Pots Rote Khmer-Regime (1975-1979). Als Kind des Bildungsbürgertums wurde er mit seiner Familie aus Phnom Penh vertrieben und in Umerziehungs-Arbeitslager, geschickt und reflektiert diese Zeit in diesem vielschichtigen, dennoch kompakten Werk.

Neben diesen vier herausragenden Werken waren sehenswert:

The Attack von Ziad Doueiri. Die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Yasmina Khedira schildert, wie ein erfolgreicher palästinensischer Arzt in Tel Aviv erkennen muss, dass seine Frau ein Doppelleben führte und bei einem Attentat 17 Menschen in den Tod riss. Dieser Film ist künstlerisch durchschnittlich, aber politisch sehr brisant und wurde in vielen arabischen Staaten verboten, da der libanesische Regisseur es wagte, Rollen der Palästinenser mit israelischen Schauspielern zu befassen. Leider konnte Doueiri nicht wie angekündigt nach Berlin kommen und mit Thomas Ostermeier von der Schaubühne diskutieren.

An Tarantino erinnert A Touch of sin von Jia Zhang-ke: das Blut spritzt, Martial Arts-Szenen durchbrechen die Handlung des Films, der in Cannes für das Beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Der Regisseur griff vier Zeitungsmeldungen auf und verknüpft sie zu einem tiefschwarzen Porträt Chinas, das in seinen Augen von Korruption und Turbokapitalismus zerfressen ist. Vieles wirkt hier vorhersehbar und zu dick aufgetragen, am 16. Januar läuft der Film in den deutschen Kinos an.

Tilda Swinton trägt Jim Jarmuschs Vampir-Tragikomödie Only lovers left alive, der an den Weihnachtsfeiertagen in den Kinos startet und das Publikum in die versponnen Welten des amerikanischen Independent-Kinos entführt. Bereits am Mittwoch, 12. Dezember, kommt Jarmusch zur Premiere ins Berliner Kino International, anschließend legt er als DJ im Tresor auf.

Um den Oscar für den besten ausländischen Film konkurriert Asghar Farhadi mit Le Passé – Das Vergangene, einem interessanten Scheidungsdrama mit Komplikationen, bei dem sich mehrere Stränge verknoten und Schuldfragen an einem Suizid stellen. Bérenice Béjo wurde in Cannes als Beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet und spielt eine hochschwangere, verunsicherte Frau, die sich ständig an ihrer Sucht-Zigarette festhalten muss, unfreiwillig passend zur Tabak-Marke Pepe, die neben arte Hauptsponsor des Festivals ist.

Einen ungewöhnlichen Auftritt hatte der britische Botschafter Simon McDonald, der gemeinsam mit Sophie Fiennes (Schwester des Schauspielers Ralph Fiennes) The Pervert´s Guide to Ideology vorstellte. Feuilleton-Liebling Slavoj Zizek springt in seinem typischen assoziativen Stil 144 Minuten lang durch Konsum- und Kapitalismuskritik, Popkultur und Filmgeschichte.

Nur für die zahlreichen Anhänger ihres Gurus ist der verschrobene Beitrag La danza de la realidad von Alejandro Jodorowsky zu empfehlen. Enttäuschend war auch Love Steaks, ein Film von Studenten der Potsdamer HFF, der nach Dogma-ähnlichen Fogma-Regeln gedreht wurde und sich auf dem Stadium eines mäßig interessanten Experiments verliert. Love Steaks kann nicht mit den deutschen Beiträgen vergangener Jahre wie Die Kriegerin und Draußen ist Sommer mithalten.

Das Around the world in 14 films-Festival 

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