Jahresendzeitprogramm: Müntefering und Westerwelle stehlen Merkel die Show

Die Königin aller Gipfel von Heiligendamm bis Kopenhagen, Angela Merkel, moderiert auch im 13. Jahr in Folge auf gewohnt charmante und souveräne Art das Jahresendzeitprogramm im Kreuzberger Mehringhoftheater. 2009 bittet die Kanzlerin, wie immer von Christoph Jungmann verkörpert, galanterweise noch einmal ihren langjährigen Co – Moderator Franz Müntefering auf die Bühne.

Der Sauerländer blickt in seiner schnoddrigen Art auf die gemeinsamen vier Jahre zurück, ist sich keinerlei Schuld am schlechten SPD – Wahlergebnis bewusst und schwebt zur Pause frisch verliebt davon: Seine Michelle wartet in Kreuzberg 36 auf ihn. Heute geht es mit ihr und ihren Freundinnen ins Lido und ins Watergate, morgen dann ins Berghain. Münte möchte erst mal Nachtleben und Eheglück genießen, träumt aber insgeheim davon, nach Sigmar Gabriels Interimszeit als Parteivorsitzender ins Brandt – Haus zurückzuziehen. Hannes Heesch brilliert in seiner Parodie auf den alten Haudegen und stiehlt Angela Merkel alias Christoph Jungmann etwas die Show.

Auch in der zweiten Hälfte muss sie um ihren Platz als Chefin kämpfen: Ihr neuer Vizekanzler Guido Westerwelle hat sich selbst eingeladen und möchte ihr nicht nur im Kabinett, sondern auf der Bühne zur Seite stehen. In dieser Rolle ist Hannes Heesch sogar noch stärker: Vom triumphierenden Westerwelle – Grinsen am Wahlabend über bestimmte typische Textbausteine bis zu seiner Mischung aus strahlendem Selbstbewusstsein und Unterwürfigkeit imitiert der Kabarettist den Außenminister glänzend! Bis der Kanzlerin der Geduldsfaden reißt und sie ihn ins Kanzleramt wegschickt, weil sie vergessen habe, das Licht abzuschalten.

Neben den Dialogen Merkel/Müntefering und Merkel/Westerwelle ragen noch zwei Musikeinlagen aus: In einer Hommage an Michael Jacksons Tanz – Choreographien, in der die Kanzlerin temperamentvolle Hüftschwünge zeigt, rechnet das Jahresendzeitteam mit dem Debakel der Berliner S- Bahn ab: "Und alles was uns bleibt sind der überfüllte Bus und der Hass". In einem Medley aus Udo Jürgens – Schlagern dichten die Schauspieler die Texte auf weitere wichtige Ereignisse des Jahres 2009 um: das Auf und Ab der Hertha zwischen Meistertraum und Abstiegsangst, den Literaturnobelpreis für Herta Müller, das Ende des Bahnchefs Mehdorn, dem sie stundenlanges Warten in der Kälte wünschen, sowie die schier endlose Debatte um das Stadtschloss.

Dieser sehr gelungene Kabarettabend hat kaum Längen und eine sehr große Pointendichte. Zur Entspannung von der großen Politik treten zwischendurch immer wieder Manfred Maurenbrecher mit seinen Liedern und Horst Evers mit seinen kleinen, ins Surreale kippenden Alltagsbeobachtungen wie z.B. über den twitternden neuen Nachbarn auf.

In einem Rundumschlag gegen die drei Wirtschaftsminister Glos, zu Guttenberg und Brüderle rechnet Bov Bjerg schließlich noch mit der Abwrackprämie ab: Mehrmals schimpft er über die Autoindustrie als Technik des 19. Jahrhunderts und vergleicht die Entschädigung für ein verschrottetes Auto mit dem Schmerzensgeld für getötete Afghanen, bis ihm die Kanzlerin einen Magenbitter und Beruhigungstropfen reicht, damit er ihren Galaabend nicht länger stört.

Das Jahresendzeitprogramm 2009 ist wieder ein sehr gelungener Kabarettabend, der noch bis 10. Januar 2010 auf der Bühne zu sehen sein wird. Man sollte sich aber beeilen, um Karten zu ergattern: Viele Vorstellungen sind bereits komplett oder fast ausverkauft.

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