Jürgen Kuttner schreckt vor nichts zurück

Seit Jahren ist Jürgen Kuttners Videoschnipselvortrag Von Mainz bis an die Memel eine feste Institution im Spielplan der Berliner Volksbühne.
Wenn sich der langjährige Radiomoderator durch seine langen Assoziationsketten in hektischem Schnellfeuerstaccato berlinert, ist das Theater fast immer ausverkauft. Ganz so wie es am Rosa – Luxemburg – Platz in den goldenen Zeiten des Volksbühnen – Hypes, als Castorf, Schlingensief und Marthaler im Nach – Wende – Berlin als Theatererneuerer gefeiert wurden, an der Tagesordnung war.

In seiner neuesten Auflage widmete sich Kuttner einem eher unpolitischen Thema: Er grub in den Archiven des ost- und westdeutschen Fernsehens nach alten Aufzeichnungen aus Schlagersendungen. Die unfreiwillig komische Spießigkeit einiger Moderationen aus den 50ern und 60ern wurde mit viel Gelächter quittiert, die verfeindeten Lager im Kalten Krieg schenkten sich in puncto Biederkeit und missglückter Auftritte weg.

Traditionell leitet Jürgen Kuttner jeden Schnipsel mit einer ausufernden Vorbemerkung ein: Obwohl der Clip oft nur 1 – 2 Minuten dauert, verheddert sich der Moderator schon mal in Gedankensprüngen, die ein Vielfaches an Zeit brachen. Zwangsläufig sitzt nicht jede Pointe, manchmal ist es schlicht banal, aber gerade das macht wohl auch den Kultfaktor für sein meist junges Stammpublikum aus.

Ab und zu gibt es aber auch gelungene kleine Kabinettstückchen, z.B. wenn Kuttner einen Auftritt von Karel Gott in Dieter Thomas Hecks ZDF – Hitparade auf seine theologischen Bezüge abklopft oder ein solches Juwel wie ein aus dem Ruder laufendes Publikumsgespräch zwischen Udo Jürgens und einem Werkzeugmacher kommentiert, der die Texte des Schlagersängers auseinandernahm. Der Schlusspunkt seines Vortrags war – wie immer – der Wahlkampfspot aus den Kindertagen der Grünen, als sich Joseph Beuys durch das Lied Wir wollen Sonne statt Reagan dilettierte.

Alles in allem war dies wieder ein typischer Kuttner – Abend, der mit seinen Schwächen und versandenden Pointen kokettierte und doch oft genug amüsante, schräge Sichtweisen auf Archivbilder aufzeigte. 

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