Der Wahlkampf zum Berliner Abgeordnetenhaus dümpelt vor sich hin. Wowi verzichtet fast völlig auf Inhalte und zeigt sich auf Plakaten lieber mit Krokodil-Puppen, die ihm die Nase abbeissen, und reizenden älteren Damen die er im Small-Talk charmiert. Renate Künasts Wahlkampf blieb seit ihrer pompösen Kandidatur-Eröffnungsrede zahm und kommt auch auf
der Zielgeraden nicht richtig in Gang.
Gut, dass nun immerhin der in Berlin und Brandenburg weltberühmte Kabarettist Rainald Grebe etwas Schwung in die Angelegenheit bringt: am Maxim Gorki Theater führt er in etwas mehr als zwei Stunden durch die Untiefen des Berliner Kommunalwahlkampfs. Völker schaut auf diese Stadt nennt er sein neues Programm in Anspielung auf Ernst Reuter. Der aktuelle Amtsinhaber und potenzielle NachfolgerInnen kommen an diesem Abend nicht ganz so gut weg: Grebe und seine Kollegen sprechen und spielen die Originaltexte der Kandidatenauftritte nach und legen mit karikierendem Spott den Finger in die Wunde mancher Stilblüten.
Der Abend leidet unter einer Schwierigkeit: Wie kann eine Parodie noch zünden, wenn der Wahlkampf selbst schon mit schrägen und fast unglaublichen Einlagen ein eigenständiges Gesamtkunstwerk darstellt? Gegen die Live-Auftritte der Kandidaten des bunten Gewimmels
kleiner Parteien im rbb vor einigen Tagen mit der unfreiwilligen Komik, als nicht mehr klar war, wer hier der Satiriker Martin Sonneborn ist und wer seine Thesen ernst meint, kommt auch ein Mann vom Kaliber Grebes nicht so einfach an. Vor allem, wenn er im Vergleich zu seinen Soloprogrammen so ausser Form wirkt wie an diesem Abend, an dem auch noch eine Kollegin krankheitsbedingt ausfällt.
Dennoch gelingen manche schöne Momentaufnahmen. Vor allem die nachgestellten Interviews mit einem Rentner, der sich in Berliner Schnauze immer weiter in eine Wutrede auf den Regierenden Bürgermeister reinsteigert, und die Schlussparodie des hoffnungslosen FDP-Wahlkämpfers am Kotti, an dem die Passanten vorbeilaufen, sind sehenswert. Aber warum räuchern Rainald Grebe und seine Kollegen den Theatersaal mit ihrem Zigarettenqualm ein? Das ist eine der offenen Fragen nach diesem ungewöhnlichen Theaterabend.