Medeamaterial: Gottscheff zelebriert Heiner Müller

In den Kammerspielen des Deutschen Theaters gibt es in den vergangenen Jahren regelmäßig Hochämter zu Ehren des Dramatikers Heiner Müller, um den es ansonsten auf anderen Bühnen und in den Feuilletons eher still geworden ist. Dimiter Gotscheff, seinem Wegbegleiter, engen Freund und Nachlassverwalter, ist dies – je nach Sichtweise – zu verdanken oder geschuldet.

Vor wenigen Tagen hatte ein neuer Müller-Abend auf sehr karger, November-grauer Bühne, die dem zynischen Altmeister sicher gefallen hätte, Premiere: Gottschefs Inner-Circle (die Ensemble-Mitglieder Margit Bendokat, Almut Zilcher und Wolfram Koch) deklamierten die Monologe aus Müllers Antiken-Triptychon Verkommenes Ufer/Medeamaterial/Landschaft mit Argonaten von 1982 und den Text Mommsens Block, der knapp zehn Jahre später unter dem Eindruck des Untergangs der DDR entstand.

Mit ganz anderen stilistischen Mitteln und unter anderen Vorzeichen ist dieser Abend eine ähnliche Fanveranstaltung wie vor kurzem Studio Brauns Action-Musical Fahr zur Hölle, Ingo Sachs. Die Monologe stehen in all ihrer Schwere im Raum, voraussetzungsreich ist vor allem Almut Zilchers schmerzverzerrter Part als anklagende Medea, der ohne Grundkenntnisse des Mythos kaum zu verstehen ist.

Margit Bendokat setzt in ihrer schnoddrigen Art den Schlusspunkt mit Müllers assoziativem Langgedicht Mommsens Block. Kaum leichter zugänglich als die Monolage über Jason, Medea und die Argonauten widmet sich dieses Spätwerk der Schaffenskrise des Historikers Theodor Mommsen: "ein resignierender Parforceritt durch Schlachten, Ausbeutung, Unterdrückung und Enttäuschung", wie es in einem Aufsatz heißt.

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