Vor der längeren Weihnachtspause empfing Gregor Gysi einen besonderen Gast in seiner Matinee am Deutschen Theater: Den Altmeister des politischen Kabaretts, Dieter Hildebrandt. Mit 84 Jahren noch hellwach erzählte er ausführlich seine prägenden Kriegserlebnisse inklusive anschließender Gefangenschaft und Hunger als Vertreter der Flakhelfer-Generation. In Schlesien auf dem Land geboren entging er mit viel Glück und dank der Befehlsverweigerung eines Vorgesetzten dem schicksal, noch in den letzten Monaten des Krieges als Kanonenfutter verheizt zu werden.
Für pointenreiche Seitenheibe gegen das aktuelle politische Personal der schwarz-gelben Bundesregierung bleib kaum Zeit. Stattdessen schilderte Hildebrandt seine ersten Gehversuche auf den Bühnen: Vom Platzanweiser in Schwabinger Kleinkunstbühnen über Studentenkabarett führte ihn sein Weg zur Gründung der legendären Münchener Lach- und Schiessgesellschaft, deren Fernsehübertragungen in den 1960er Jahren quotenträchtige Ereignisse waren.
Süffisant schilderte er, wie die ZDF-Verwaltungsräte und Programmverantwortlichen in den späten 1970ern bei seinen Notizen aus der Provinz kalte Füße bekamen und die Sendung schließlich 1980 absetzten. Dass es keinen Zusammenhang mit der damaligen Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauss gab, wird wohl kaum jemand vermuten.
In den 1980ern war der Scheibenwischer, den der Sender Freies Berlin donnerstags mehrmals pro Jahr für das ARD-Gemeinschaftsprogramm produzierte, ein Pflichttermin. Vor allem die Ausgabe im Frühjahr 1986 nach dem GAU von Tschernobyl sorgte für Aufruhr, da sich der CSU-dominierte Bayerische Rundfunk aus dem gemeinsamen Programm ausschaltete und die Sendung damit erst recht aufwertete.
Zur selben Zeit gastierte er auch gemeinsam mit dem Österreicher Werner Schneyder in Leipzig, wo Hildebrandt erleben durfte, wie aufmerksam das Publikum auf jeden Zwischenton gegen die Obrigkeit achtete.