Die Eröffnungsfilme

Zur Eröffnung des Berlinale-Wettbewerbs wurde gestern der französische Beitrag Les Adieux à la Reine gezeigt, der den Spagat zwischen historischem Kostümfilm und politischem Revolutionsdrama wagt.

Auf der Skala der Eröffnungsfilme bekamen wir von Regisseur Benoit Jaquot oberes Mittelmaß geboten: Kostümfilme neigen häufig dazu, dass sie allzu sehr in ihren Dekors schwelgen und hübsche Frauen in erlesenen Gewändern durch die Landschaft flanieren. An gutaussehenden Schauspielerinnen (Léa Seydoux, Diane Kruger, Virginie Ledoyen) herrscht in diesem Film wahrhaft kein Mangel.

Die Stärke des Films ist es, die Atmosphäre im Schloss Versailles am Vorabend der Französischen Revolution gekonnt nachzuzeichnen. Die Ereignisse werden aus der Sicht von Marie Antoinettes Vorleserin, Sidonie Laborde, erzählt: Im Hofstaat wird über merkwürdige Ereignisse getuschelt, auf den unteren Ebenen der Hierarchie weiß niemand etwas Genaues, hinter vorgehaltener Hand wird über einen Sturm auf die Pariser Bastille gemunkelt.

In langen Einstellungen wird debattiert, wie die Königsfamilie reagieren soll: Fliehen und dann mit treuen Verbündeten von der Festungsstadt Metz aus zurückschlagen? Oder kann man doch noch gelassen abwarten, bis sich die Unruhen in der Hauptstadt wieder legen?

Sehr im Spekulativen verliert sich der Film, als er die Gerüchte über eine lesbische Affäre von Marie Antoinette zu einer Gräfin in aller Ausführlichkeit auswalzt. Die Romanvorlage kolportiert schließlich ein Dreiecksverhältnis, das zu Lasten der unschuldig-naiven Vorleserin endet. Diese Nebenhandlung gewinnt am Ende die Oberhand über die interessante Studie über den Machtverfall, die den Anfang des Films prägte, und schmälert somit den positiven Eindruck.

Ein überraschend reifes Erstlingswerk eröffnete die Reihe Panorama: Umut Dag taucht in Kuma in das Beziehungsgeflecht einer türkischen Migrantenfamilie in Wien ein. Die Mutter ist an Krebs erkrankt und verfällt auf die Idee, aus einem anatolischen Bergdorf ein junges Mädchen zu holen. Offiziell wird die arrangierte Ehe mit dem Sohn der Familie geschlossen, der aber nur an Männern interessiert ist. Tatsächlich ist die junge Frau aus der Türkei als neue Ersatzfrau für das Familienoberhaupt vorgesehen.

Mit viel Feingefühl entwickeln Drehbuch und Regie ein bedrückendes Drama aus einer Parallelgesellschaft mit ihren eigenen rigiden Moralvorstellungen, überraschenden Wendungen, aber nicht ohne Aggressionen, Blut und Gewalt. Kuma ist ein sehenswerter Eröffnungsfilm, der die Spannungsverhältnisse unaufdringlich auslotet und vom Publikum mit viel Lob aufgenommen wurde.

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