Wenn der katalanische Regisseur Calixto Bieito an einer neuen Inszenierung an der Komischen Oper in Berlin arbeitet, ist die Aufregung in den Medien fast schon vorprogrammiert. Mit eindrucksvollen Bildwelten arbeitet er sich an seinen beiden großen Themen Gewalt und Sex ab und schafft es dabei meist, interessante neue Lesarten auf den Opernstoff anzubieten.
Als er sich im Winter den "Freischütz" vornahm, durfte man gespannt sein: Was macht er aus dieser romantischen Volksoper des 19. Jahrhunderts, die ganz tief in den Mythos deutscher Wälder eintaucht und grausame Rituale in der Wolfsschlucht zelebriert? Überraschenderweise blieb Bieito für seine Verhältnisse aber ziemlich zahm. Schon im Interview mit der Dramaturgin Bettina Auer für das Programmheft kratzt er eher an der Oberfläche. Sein Menschenbild ist sehr pessimistisch: Das gesamte gesellschaftliche Zusammenleben sei von brutalen Machtkämpfen geprägt, welches Alphamännchen in der Hierarchie höher stehe. Menschen und vor allem Männer müssten das Tier in sich mit seiner "unglaublichen Zerstörungsenergie" ständig zügeln: "Wir kämpfen das ganze Leben gegen das Tier in uns an, versuchen es unter Kontrolle zu bringen. Manche schaffen es, manche nicht."
In den zweieinhalb Stunden auf der Bühne wirkt vieles wie mit angezogener Handbremse inszeniert. Seine Kernthesen über Gewalt und Macht lässt der Regisseur kurz durchschimmern, ansonsten ist eine recht konventionelle Inszenierung eines Dauerbrenners auf deutschen Bühnen zu sehen. Was Bieito daran gereizt hat, gerade dieses Stück zu erarbeiten, wird zu wenig klar, eine eigene Handschrift diesmal weniger deutlich als sonst.
Die Inszenierung hatte am 29. Januar 2012 Premiere und war auch im Rahmen des "Komische Oper Festivals" im Juli zu sehen.