Antike Tragödie zum Saisonauftakt des Deutschen Theaters

Macht Gewalt Demokratie: Unter dieses Motto stellt das Deutsche Theater Berlin seine neue Spielzeit 2012/2013. Mit den beiden Premieren des Eröffnungs-Wochenendes wurde dem Publikum gleich anspruchsvolle, schwere Kost geboten. Der Start in die hochpolitische Spielzeit war jedoch sehr vielversprechend.

Regisseur Stephan Kimmig und sein Dramaturg John von Düffel wagten sich an eine Dramen-Trilogie der griechischen Antike: Ödipus und Antigone von Sophokles sind in der luziden Schärfe ihrer Dialoge, in der präzisen Herausarbeitung der Konflikte um Macht und Gewalt zwei der interessantesten und zugleich frühesten Theaterstoffe, die zu diesem Themenkomplex geschrieben wurden.

Der besondere Kunstgriff dieses Abends ist es, die beiden im Bildungsbürgertum wohlbekannten Dramen als Anfangs – und Endpunkt dieses Theaterabends zu nehmen und als Mittelteil Sieben gegen Theben von Aischylos und Die Phönizierinnen von Euripides einzufügen. Unter dem Titel Ödipus Stadt gelingt es Kimmig und von Düffel so, eine spannende Entwicklung der Figuren nachzuzeichnen. Kreon, glänzend gespielt von Susanne Wolff, ist zu Beginn umsichtiger Berater von König Ödipus (teilweise etwas zu überzogen in Gestik und Mimik: Ulrich Matthes). Im letzten Teil entwickelt er sich zu einem engstirnigen Despoten, der keine Kritik zulässt und jede Empathie verloren hat. Im Rededuell mit Antigone (sehr überzeugend: Katrin Wichmann), einem der Höhepunkte dieses Abends, tun sich bei Kreon die Abgründe auf, die zu erleben sind, wenn ein Herrscher rücksichtslos seinen Willen durchsetzt.

Wer einen visuell opulenten Theaterabend erwartet, dürfte enttäuscht werden. Das Bühnenbild von Katja Haß ist karg und besteht nur aus einer überdimensionalen Halfpipe-Rampe. Die Figuren versuchen immer wieder, zu fliehen, den Kreislauf der Gewalt zu brechen und gegen die Rampe anzurennen, rutschen aber ab und werden zurückgeworfen. Mit diesem eindrucksvollen Symbol bringt das Bühnenbild den Kern dieser Tragödie gut auf den Punkt. Die Kraft dieser Inszenierung liegt in ihren starken Dialogen, der gelungenen Neuübersetzung der griechischen Stoffe durch Gregor Schneider und das exzellente Schauspieler-Ensemble des Deutschen Theaters.

Ein Gewinn war auch die Diskussion im Rahmen der Früh-Stücke am Morgen nach den Premieren: Die – wie stets – klug analyisierende Publizistin Carolin Emcke arbeitete in ihrem Beitrag heraus, worin die Stärke des Textes und ihrer Inszenierung liegen. Auf den ersten Blick könnte man den Stoff über den Fluch über dem Königshaus Ödipus aus archaischen, blutigen Mythos abtun, der uns heute kaum noch etwas zu sagen hat. Emcke zeichnete mit vielen Bezügen auf aktuelle kulturwissenschaftliche, soziologische und philosophische Studien nach, welche Aussagekraft dieses Drama über Verletzte und Vernachlässigte, die vom Opfer zum Täter werden, bis in unsere Gegenwart mit ihren blutigen Bürgerkriegskonflikten weltweit als Denkanstoß hat.

Ödipus Stadt – Weitere Informationen und Termine

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