Ulrich Matthes liest Alice Munro bei DT-Matinee

Das Deutsche Theater lud am 4. Advent zu einer besonderen Matinee ein: Ulrich Matthes, einer der gefragtesten Hörbuchsprecher, las zwei Erzählungen der frisch gebackenen kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro.

Munros Texte werden oft als Short Stories bezeichnet: dass dieser Gattungs-Begriff nicht so recht passt, wird auch an diesem Vormittag deutlich. Denn der Vortrag der beiden ausgewählten Texte dauert tatsächlich jeweils eine Stunde, unterbrochen von einer 5 minütigen Pause (geplant) und von einem mehrfach penetrant klingelnden Handy (ungeplant).

Alles andere als vorweihnachtlich besinnlich ist die bedrückende Atmosphäre, die sich im Text Freie Radikale verbreitet. Auf den ersten Seiten wird das Leben einer krebskranken alten Frau entfaltet, die gerade Witwe wurde und einsam in einem abgeschiedenen Haus wohnt. Nach dieser Exposition nimmt Munros Erzählung einige kunstvolle Wendungen, die an Michael Hanekes Film Funny Games erinnern.

In der zweiten Geschichte dreht sich alles um ein Thema, das sich durch Munros Werk zieht: eine Frau wird von einem Mann zugunsten einer Jüngeren verlassen. Der Plot dieses Minidramas endet nach Nebensträngen und Verwicklungen bei einer Signierstunde auf einer Lesung, die unbewältigte Vergangenheit drängt zurück in das Leben der Musiklehrerin. Dies wird alles mit lakonischem Humor beschrieben. Matthes kann sich an manchen Stellen ein schelmisches Grinsen nur schwer verkneifen.

Für diese Matinee wählte der Schauspieler bewusst zwei ältere Geschichten der Autorin aus, die er seit langem sehr verehrt, wie er zu Beginn sagte und wie auch deutlich zu spüren war. Ihren neuesten Band Liebes Leben empfahl er als Weihnachtsgeschenk für Kurzentschlossene. So kam doch noch etwas Weihnachtsstimmung auf. 

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