Die Moskauer Prozesse: Grenzen der Kunstfreiheit

In ausgewählten Kinos ist momentan der sehr ruhig beobachtende Dokumentarfilm Die Moskauer Prozesse des Schweizer Theaterregisseurs Milo Rau zu sehen. Vor einem Jahr (1.-3. März 2013) lud er sieben Geschworene aus der Bevölkerung der russischen Hauptstadt ins Sacharow-Zentrum ein, die im Rahmen einer Theater-Performance noch mal über die Vorwürfe in drei aufsehenerregenden Prozessen urteilen sollten. Der bekannteste Fall betrifft die drei Punk-Aktivistinnen von Pussy Riot, die in der Erlöser-Kathedrale einen Choral umdichteten und Maria anflehten, sie von Wladimir Putin zu erlösen. Die beiden anderen Prozesse sind mittlerweile schon fast in Vergessenheit geraten: die Auseinandersetzungen um die von der orthodoxen Kirche als blasphemisch empfundenen Kunst-Ausstellungen Vorsicht! Religion (2003) und Verbotene Kunst (2006).

86 Minuten lang werden die Pro- und Contra-Positionen von Anklage und Verteidigung sehr ausführlich und erstaunlich differenziert vertreten, die Rollen übernahmen meist Betroffene aus den realen Gerichtsverhandlungen, ergänzend kommen Schnipsel aus Hintergrund-Interviews hinzu. Alle drei Prozesse arbeiten sich im Kern an der Frage ab: Wo verlaufen die Grenzen zwischen Kunstfreiheit und der Verletzung religiöser Gefühle? 

Besondere Brisanz bekamen Milo Raus Theateraktion und das Filmprojekt durch einen überraschenden Kontroll-Besuch der Einwanderungsbehörde und Störungen rechter Kosaken-Gruppen am letzten Prozesstag, die damals auch ein großes Thema in russischen und manchen internationalen Medien waren. Der Film endet mit einem überraschenden Urteil der Geschworenen-Jury und dem Hinweis, dass Regisseur Milo Rau im Oktober 2013 mit einem Einreiseverbot nach Russland belegt wurde.

Die Moskauer Prozesse sind seit 20. März 2014 in einigen Kinos zu sehen.

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