Dokumentarfilm-Marathon „Damals: Das Volk – Filme vom Untergang der DDR“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters

An fast allen Ecken und Enden Berlins wird an diesem Wochenende des Mauerfalls vor 25 Jahren gedacht: das Stadtmarketing ließ sich eine Lichtgrenze aus Luftballons einfallen, der damalige KPdSU-Greneralsekretär Michail Gorbatschow warnte beim Gespräch mit dem damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher im AllianzForum vor einem neuen Kalten Krieg und Wolf Biermann las der Linkspartei erst im Deutschen Bundestag die Leviten, bevor er in Brechts Berliner Ensemble auftrat – mit der Kanzlerin als Vorprogramm.

Einen interessanten Akzent setzte das Deutsche Theater Berlin mit seiner Idee, den Dokumentarfilmer Volker Koepp ein Programm unter dem Titel Damals: Das Volk kuratieren zu lassen. Gemeinsam mit der DEFA-Stiftung kramte er in den Archiven, um dem Publikum in den Kammerspielen die interessantesten Zeitdokumente eines untergehenden Staates zu präsentieren.

Heraus kam ein fast fünf-stündiger Marathon, der einiges an Sitzfleisch erforderte. Es begann chronologisch mit dem ältesten Film: Die Leuchtkraft der Ziege von Jochen Krausser ist ein surreal-schräger, sinnbefreiter Dorfkrimi, den die Zensur wider Erwarten und mit Stirnrunzeln passieren ließ. Er entwickelte sich in den Filmclubs und Kommunalen Kinos während der letzten Jahre der DDR zum Kultfilm.

Darauf folgte Wer fürchtet sich vorm Schwarzen Mann? von Helke Misselwitz, der im Sommer/Herbst 1989 in der DDR wenig beachtet wurde und leider auch nicht die Qualität ihres Vorgänger-Films Winter adé erreicht, der zum 20jährigen Mauerfall-Jubiläum als Auftaktfilm der nach ihm benannten Berlinale Retrospektive zu sehen war. Misselwitz und ihr Kameramann Thomas Plenert porträtieren die Chefin einer Kohlehandlung in der Gleimstraße auf dem Prenzlauer Berg, die ihre Arbeiter mit Herz und Berliner Schnauze rumkommandiert und – wie sie selbst sagt – erst redet und dann denkt, so dass auch einige brisante Passagen im Film auftauchen, die aber in den letzten Monaten der DDR auch nicht mehr bei der Zensurbehörde aneckten.

Volker Koepps Märkische Ziegel ist ein knappes Jahr älter, thematisch aber leider so eng verwandt, dass diese Passage des Marathon-Programms etwas zu redundant geriet. Er porträtiert die harte Arbeit und Tristesse in einer Ziegel-Fabrik in der brandenburgischen Kleinstadt Zehdenick.

Der stärkste Film des langen Abends kam von Thomas Heise, dessen Langzeitbeobachtung Material ebenfalls von der Berlinale bekannt ist: Er drehte Imbiss-Spezial in einem kleinen Stehlokal in einem Ost-Berliner U-Bahnhof und schaffte es am besten, die politischen Umwälzungen und ihre Auswirkungen auf den Alltag einzufangen. Die Radio-Nachrichtensprecherin meldet im Hintergrund neue Flüchtlingsströme in der Prager Botschaft, der Personalchef beklagt sich, dass er schon die Hälfte seines Personals verloren hat. Die Hauptfigur ist ein junger Azubi aus regimetreuer Familie, der nur spöttische Kommentare für die SED-Herrschaft übrig hat und – wie er sagt – völlig aus der Art geschlagen ist. Sein Vater hält ihm den Mann seiner neuen Stieftochter vor, der als Offizier für politische Schulung der Grenztruppen zuständig ist.

Der angekündigte Film Kehraus von Gerd Kroske über die Sichtweise und Hoffnungen von drei Straßenkehrern, die den Müll der Einheits-Feiern im Oktober 1990 wegräumen, fiel leider aus. Stattdessen lief nach einer Pause gleich Heinz Brinkmanns Komm in den Garten, der 1990/91 auf den Festivals in Leipzig und München gezeigt und schon damals dafür kritisiert wurde, dass er seinen drei Protagonisten zu sehr auf die Pelle rückt. Dieter, Alfred und Michael sind drei vom Leben und vom Regime Gezeichnete, die sich alkohol- und nikotinsüchtig durch den Sommer 1990 schleppen. Die politischen Umwälzungen bilden nur ein Hintergrundrauschen, die Anti-Helden nur mit sich beschäftigt. Frisch im Kapitalismus angekommen waren sie nicht mal als Werbeträger für die Marke Camel, die penetrant ins Bild gerückt wurde, interessant: der Regisseur berichtete, dass sein nettes Schreiben an den Tabakkonzern, ob sie seinen Film angesichts des knappen DEFA-Budgets sponsern möchten, abgelehnt wurde. Die dargestellten Schicksale seien zu traurig und negativ.

Übersicht der Filme

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