Heiner Müllers „Zement“ am Gorki in Sebastian Baumgartens Regie: Genosse, an die Wand!

Heiner Müller macht es uns mit seinem Dramentext Zement, der 1973 am Berliner Ensemble uraufgeführt wurde, nicht leicht: Er griff den Stoff eines sowjetischen Romans, der wenige Jahre nach der Oktoberrevolution spielt, auf und unterbricht die Handlung mehrfach mit Motiven aus der antiken Mythologie (von Homers Ilias über Prometheus bis zur Medea). Der sperrige Text wird dementsprechend nur selten gespielt, kam jedoch im vergangenen Jahr ins Blickfeld einer größeren Öffentlichkeit, als das Berliner Theatertreffen mit Dimiter Gotscheffs letzter Regiearbeit, einer Inszenierung des Münchner Residenztheaters, eröffnet wurde.

Nun widmet sich Sebastian Baumgarten, der in Ost-Berlin aufgewachsen ist und im Jahr des Mauerfalls sein Regie-Studium begonnen hat, diesem Stoff. Der Regisseur machte sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten mit zahlreichen Opern- und Theaterinszenierungen im deutschen Sprachraum einen Namen. In seiner Heimatstadt inszenierte er vorzugsweise an der Komischen Oper und am Gorki, wohin er auch für seine Zement-Arbeit zurückkehrte.

Der schwere Textbrocken springt zwischen den Zeit- und Gattungs-Ebenen des Geschichtsdramas und philosophisch-mythologischer Monologe und wird von den Schauspielern oft so schnell wie ein Maschinengewehr abgefeuert. Baumgarten entwirft zusätzlich eine Bildwelt voller Videoeinspielern, Zwischenüberschriften, Bodypainting und (meist ironisch gemeinter) Zeichen. Die Zuschauer drohen den Überblick zu verlieren und am Ende bleibt die Frage, die Karin Fischer in ihrer Deutschlandfunk-Besprechung stellte, nämlich, „was Sebastian Baumgarten mit all dem will. Macht es Spaß, Heiner Müllers Zement als Revolutionskitsch zu diffamieren, indem man die Zumutungen des Textes als grelle Show inszeniert? Soll die ganze Revolution in den Orkus der Geschichte befördert werden?“

Den Schauspielern ist der Spaß an dieser Inszenierung anzumerken, das ist vor allem bei den Szenen zu spüren, die Christine Wahl im Tagesspiegel an einen „Freestyle Rap“ erinnerten. Dennoch wirkt der Abend richtungslos und überfrachtet.

Zement von Heiner Müller. – Regie: Sebastian Baumgarten. – Ca. 2 h 15 Minuten. – Premiere am Gorki: 16. Januar 2015

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