Corinna Harfouch und Fritzi Haberlandt im gespenstischen Mutter-Tochter-Drama „Herbstsonate“ am Deutschen Theater Berlin

Ingmar Bergmans Film Herbstsonate hatte bei seinem Kinostart im Oktober 1978 mit ziemlich viel Gegenwind zu kämpfen. In den Archiven ist nachzulesen, wie hart z.B. das ZEIT-Feuilleton mit dem Mutter-Tochter-Drama in einem norwegischen Pfarrhaus ins Gericht ging. Die Motive und Konflikte habe man in den früheren Filmen des Meisterregisseurs des europäischen Autorenkinos schon oft gesehen. Der Film wirke deshalb so, als ob ihn ein Bergman-Parodist gedreht hätte, ätzte Hans-Christoph Blumenberg unter der Überschrift Katzenjammer.

Dass der Film dennoch funktionierte und bei der Golden Globe-Verleihung in den USA als bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde, lag an der Ausdruckskraft und dem intensiven Zusammenspiel von zwei Ausnahme-Könnerinnen: Weltstar Ingrid Bergman, die in ihrer letzten Kinorolle erstmals mit Ingmar Bergman zusammenarbeitete, und Liv Ullmann, die sich durch mehrere Bergman-Dramen, v.a. Szenen einer Ehe (1973), einen Namen gemacht hatte. In Großaufnahmen fing die Kamera jede kleine Regung auf ihren Gesichtern ein, während Mutter und Tochter mit messerscharfen Dialogen miteinander abrechneten und über die Schuld am gegenwärtigen Unglück stritten.

Und auch an diesem Abend im Deutschen Theater ist es vor allem zwei Ausnahme-Könnerinnen zu verdanken, dass die Bühnen-Adaption des Kinofilms nicht als Flop untergeht: Mit Corinna Harfouch und Fritzi Haberlandt lässt Regisseur Jan Bosse zwei ganz Große der deutschen Film- und Bühnenlandschaft aufeinander los. Ihre Fähigkeiten stellen die beiden Hauptdarstellerinnen in einer Schlüsselsszene des Stückes unter Beweis: bevor ihr Konflikt ganz offen ausgesprochen wird, liefern sich die Mutter, eine gefeierte Konzertpianistin, und ihre Tochter, die als Pastorengattin ein Leben im Schatten führt, ein Klavier-Duell. Beide spielen nacheinander Chopins Prélude in a-Moll. Die Mischung aus mitleidig-divenhaftem Lächeln und kühler Verachtung, mit der Corinna Harfouch auf die sich verkrampft abmühende Fritz Haberlandt herabblickt, ist großes Kino, das live und in Großaufnahme auf die Bühnen-Leinwand projiziert wird.

In diesem Moment war die Inszenierung ganz bei sich. Während der restlichen knapp zwei Stunden ist nicht ganz klar, wo Jan Bosse mit dem Stoff, seinen beiden Hauptdarstellerinnen und dem Publikum hin will. Er versucht, sich vom düsteren Realismus Ingmar Bergmans abzusetzen und lässt vor allem Fritz Haberlandt das psychologische Kammerspiel mit komischen Einlagen durchbrechen. Noch weiter entfernt er sich von der Vorlage, als er die unterforderte Natalia Belitski und einen Kinderdarsteller als Gespenster durch das labyrinthische, sich drehende Bühnenbild huschen lässt. In dem ernsten Familiendrama aus den 1970er Jahren wirken die eingebauten Motive aus dem Horror- und Mystery-Genre jedoch wie ein Fremdkörper.

Herbstsonate nach dem Film von Ingmar Bergman. – Regie: Jan Bosse. – Ca. 2 Stunden. – Co-Produktion des Schauspiels Stuttgart und des Deutschen Theaters Berlin. – Premiere in Stuttgart am 20. Dezember 2014, in Berlin am 23. Januar 2015

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