Für Günther Jauch, Wunsch-Bundespräsident vieler Deutscher und journalistische Allzweck-Waffe des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens, machte Gregor Gysi eine Ausnahme. Seine monatliche Matinee Gysi trifft Zeitgenossen wurde am Deutschen Theater Berlin extra vom üblichen Termin sonntags um 11 Uhr auf Donnerstag Abend vorverlegt, um Jauch nicht von der Vorbereitung seiner abendlichen Talk-Runde nach dem Tatort abzuhalten. Vielleicht klappt es demnächst auch mit einem Gegenbesuch: Jauch meckerte, dass Gysi sich seit Jahren ziert, als Kandidat bei der ca. halbjährlich stattfindenen Promi-Ausgabe von Wer wird Millionär? anzutreten und sich mit immer kreativeren Ausreden herauswindet.
Bis auf kleine Spitzen wie diese fassten sich der Talkmaster und der Berufspolitiker nur mit Samthandschuhen an. Brav gingen sie die Stationen von Jauchs Karriere durch: in West-Berlin als Sohn des Korrespondenten der Katholischen Nachrichtenagentur aufgewachsen, schloss er die Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München als damals jüngster Absolvent ab und sammelte erste Erfahrungen in den Sport- und Politik-Ressorts des Bayerischen Rundfunks. Im Bonner Hauptstadtbüro arbeitete sich Jauch während der frühen Kohl-Ära durch alle Themen, an denen die älteren Kollegen kein Interesse hatten. Die beschauliche Stadt am Rhein war aber keineswegs Jauchs erste Wahl, sondern ein Trostpflaster für den geplatzten Traum einer Stelle im Londoner Büro, die aber als Versorgungsposten für einen altgedienten Kollegen genutzt wurde. Deshalb ließ sich Jauch darauf ein, bald wieder zurück nach München zu gehen und mit seinem alten Kumpel Thomas Gottschalk eine gemeinsame Radio-Unterhaltungsshow zu moderieren. Das Showmaster-Duo legte mit frechen Sprüchen den Grundstein zu steilen Karrieren und Jauch etablierte seinen Ruf als Generalist mit drei Standbeinen (Politik, Unterhaltung und Sport).
Etwas emotionaler wurde das Gespräch, als der Potsdamer Fernseh-Star auf sein mehrfaches Anecken in Sender-Hierarchien angesprochen wurde: er sei als Moderator beim ZDF-heute-journal im Gespräch gewesen, aber die Gremien hätten am Ende Sigmund Gottlieb mit seiner eindeutigen Nähe zur Union dem parteipolitisch unabhängigen und somit unberechenbareren Jauch vorgezogen. Der Rauswurf beim ZDF-Sportstudio sei ihm per Fax zugestellt worden. Die schwierigen Verhandlungen mit den ARD-Gremien um die Konditionen seiner Politik-Plauderrunde im Ersten bestimmten jahrelang die Schlagzeilen, nach dem Scheitern in einem ersten Anlauf zog Jauch im SPIEGEL-Interview über die Gremlins her.
Leider hakte Gysi an diesen Stellen, wo es spannend hätte werden können, nicht richtig nach. Ihm ist deshalb derselbe Vorwurf zu machen, den die Feuilletons und politischen Kommentatoren gegen Jauchs Sonntags-Runde erheben: statt die Chance zun nutzen und mit klugen Nachfragen, noch mehr Wissenswertes herauszukitzeln, hetzte Gysi diesmal durch seine Karteikarten.