Wie geht man an einen Klassiker heran, den jeder kennt, konkret die – so das Programmheft – „größte Liebesgeschichte“ der Weltliteratur? Christopher Rüping entschied sich bei seiner Romeo und Julia-Inszenierung an den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin für einen Stilmix. In der ersten Stunde testet er verschiedene Genres an: von melodramatischen Dialogen schaltet die Inszenierung schnell auf italienische Opern-Arien mit wallenden Gewändern um, die mehrfach von einem „Halt die Fresse“-Ehe-Rosenkrieg im Hause Capulet unterbrochen und parodiert werden.
Konnte man im ersten Teil des Abends noch den Eindruck haben, dass sich der Regisseur und sein Ensemble noch nicht so recht auf einen Stil festlegen wollten, dominiert im zweiten Teil ein Genre: Comedy der schwächeren Sorte. Zu Beginn gab es einige gute Ansätze, die demonstrieren, was aus dem Abend hätte werden können: Natalia Belitski überzeugt in einem komödiantischen Auftritt als Lady Capulet, die ihrer Tochter Julia vorwirft, dass sie undankbar sei, weil sie die ihr zugedachte gute Partie (den Grafen Paris) ablehne, und dabei zugleich mit ihrer eigenen Ehehölle abrechnet. Auch die kurz hingetupfte Tanzszene im Hause Capulet, als sich das ganze Ensemble ausnahmsweise nicht zu Barock- und Rokoko-Klängen, sondern zu zeitgenössischen Beats bewegt, zeigt, dass hier ein begabtes Ensemble mit viel Spielfreude zur Verfügung stünde.
Leider wird daraus kein großer Wurf. Der Abend zerfasert in Comedy-Klein-klein: Romeo (Benjamin Lillie) braucht ganz dringend seine Lactose-freie Milch, die er dann auch den Frauen in der ersten Reihe anbietet, und fragt vergeblich nach Magnesium und einem Trampolin, da er sonst Julia auf ihrem Balkon nicht erreichen kann. Mercutio (Lisa Hrdina) stellt sich neben ihn und sagt: „Lieber Romeo, liebe Kinder, ihr wisst schon, was jetzt kommt“ und spielt darauf an, dass Benjamin Lillie seine Hose mittlerweile fast so regelmäßig runterlässt wie Lars Eidinger. Die Inszenierung hat nun den Punkt erreicht, an dem Eva Biringer seufzte: „Am schlimmsten aber wird es, wenn es lustig sein soll.“
Rüping hat das Shakespeare-Drama auseinandergenommen, die Bausteine durcheinandergewirbelt und findet keine überzeugende Linie, sie wieder schlüssig zusammenzusetzen. Der Abend hat zwar seine unterhaltsamen Momente, überzieht aber teilweise so sehr, dass es nur noch albern wirkt. Deshalb ist es sehr verständlich, dass Eva Biringer den Eindruck hatte, „dass die Inszenierung ihr Thema nicht ernst nimmt.“
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