Ryan Gosling verirrt sich bei seinem Regie-Debüt „Lost River“ in einer Albtraum-Welt

Der American Dream ist ausgeträumt. „Geh schnell weg von hier“, lautet der gutgemeinte Rat an Bones (Iain De Caestecker) zu Beginn von Ryan Goslings Debütfilm Lost River. Da er nicht darauf hören will, verstrickt er sich gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Freundin immer tiefer in einer surrealen Albtraumwelt, die von einem dubiosen Banker, der in Personalunion Besitzer eines Nachtclubs ist, und einem gewalttätigen, psychopathischen Typen namens Bully beherrscht wird.

Die Krise hat in Lost River, das sehr deutliche Züge der ehemaligen Autoindustrie-Hochburg Detroit trägt, voll zugeschlagen. In einem der wenigen realistischen Bilder des Films rücken die Abrissbagger in der desolaten Nachbarschaft an, Mutter und Sohn bangen darum, wie sie die weiteren Kreditraten abstottern können. Im nächsten Moment fährt ein herrenloses brennendes Fahrrad durchs Bild und Gosling, der auch das Drehbuch selbst schrieb, verirrt sich mit seinem Erstling immer tiefer in ein surrealen Labyrinth.

Die einzelnen Zutaten passen nicht recht zusammen. Der Eindruck drängt sich auf: da wollte ein Schauspielstar, der in Drive und A place beyond the Pines durchaus überzeugte, aber auch schwächere Auftritte wie in Only God forgives ablieferte, mal die Seiten wechseln und sich mit einem tiefen Griff in der Spielzeugkiste austoben.

Da sind zum einen die Momente, die man wohlwollend als elegisch, aber auch als langatmig bezeichnen könnte. Sie sind ein klarer Bruch mit seinem Image aus den oben genannten Rollen, die vor Temporeichtum strotzen und sich mit Bildern wie dem Motorrad-Stunt zu Beginn von A place beyond the Pines ins Gedächtnis einbrannten. Unverbunden stehen Elemente aus Splatter-Filmen und dem Underground-Variéte daneben. Es fügt sich nicht zu einem stimmigen Ganzen zusammen, sondern wirkt wie das noch sehr unfertige Ringen um eine eigene Handschrift, so dass Gosling mehrfach nach rettenden Strohhalmen zu greifen versucht und neben Nicolas Winding Refn, in dessen Filmen er berühmt wurde, auch den Altmeister David Lynch kopiert.

Das bewahrt ihn aber nicht davor, dass von seinem Regiedebüt außer einigen starken Bildern seines ähnlich prominenten Kameramanns Gaspar Noé kaum Nennenswertes übrigbleibt.

Lost River. – USA, 2013. – Regie und Drehbuch: Ryan Gosling. – Mit: Christina Hendricks, Saoirse Ronan, Iain De Caestecker, Matt Smith, Eva Mendes, Ben Mendelsohn, Barbara Steele. – Produktion: Bold Films, Marc Platt Productions, Phantasma Films. – Verleih: Tiberius Film. – 95 Minuten. – Premiere in der Reihe Un Certain Regard des Festivals in Cannes im Mai 2014. – Kinostart: 28. Mai 2015

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