„Tag der weißen Blume“ in Russland konstatiert am Deutschen Theater: die Lage in Russland ist hoffnungslos

Diesen Service gibt es nur selten. Die vier Schauspielerinnen und Schauspieler begrüßen das Publikum am Eingang zu den Kammerspielen des Deutschen Theaters, wünschen eine schöne Vorstellung und weisen den Weg zu den Tribünen-Plätzen auf der Hinterbühne.

So freundlich bleibt der Grundton des Abends aber nicht. Farid Nagim zeichnet in „Tag der weißen Blume“ ein düsteres Bild seiner russischen Heimat: zwei Geschwisterpaare (jeweils von Kathleen Morgeneyer und Benjamin Lillie gespielt) werden von der Willkür der Staatsmacht bedroht, die der glatzköpfig, bullig wirkende Polizist Omon (Felix Goeser) verkörpert. Trotz der politischen Umstürze hat sich nichts geändert: die Lage in Russland ist hoffnungslos, so die bittere These des Autors Farid Nagim. Das Individuum lebt in ständiger Unsicherheit und Angst. Die Handlung springt ständig zwischen zwei beiden Zeitebenen hin und her: 1918 unmittelbar nach der Oktoberrevolution und 2001, ein Jahrzehnt nach dem Untergang der Sowjetunion, als nach zehn Jahren Turbokapitalismus Wladimir Putin die Zügel wieder anzog.

Wie schon in einigen Rezensionen nach der Premiere angemerkt wurde, ist die Textvorlage ziemlich dünn. Die Grundthese ist plakativ, in eine tiefere Analyse steigt der Abend nicht ein. Für die Entscheidung, dieses Stück, das 2003 in Konstanz uraufgeführt wurde, zur Eröffnung der Autorentheatertage 2014 auszugraben, mag auch eine Rolle gespielt haben, dass neben Moskau die Krim als Ort der Handlung klar benannt wurde und vor Probenbeginn die weltweiten Schlagzeilen (Annexion, Referendum) beherrschte. Aber auch diese Fährte wird an dem Abend nicht weiter verfolgt.

Aber immerhin bietet Stephan Kimmigs Inszenierung den vier Akteuren die Chance, ihre Spielfreude auszuleben und mit überraschenden Fähigkeiten zu punkten: Kathleen Morgeneyer überzeugt als naives Mädchen vom Lande, das prompt auf die Hütchenspieler reinfällt. Ihr Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg und Glück endet in einem Kleid, das aus McDonald´s-Logos zusammengebastelt wurde, in der Sackgasse. Von diesem Abend werden außerdem die Auftritte von Benjamin Lillie als Rockgitarrist und Sänger in Erinnerung bleiben. Mit Elvis Presley-Parodie, Hiphop-Einlagen und dem Klassiker „Where is my mind?“ setzt er der düsteren Botschaft des Textes eine angenehme Leichtigkeit entgegen, die sehr gut zur sommerlichen Stimmung dieses Dernièren-Abends passt. Eine weitere Überraschung war, wie zurückgenommen Heike Makatsch, der prominenteste Name im Quartett und zum ersten Mal als Gast am DT, in ihren Nebenrollen agierte. Ein weiter Weg, den sie seit ihren Auftritten in den 90ern als überdrehtes Viva-Girlie und in den einschlägig bekannten Kino-Komödien wie Männerpension zurückgelegt hat…

Tag der weißen Blume von Farid Nagim. – Übersetzung: Yvonne Griesel. – Regie: Stephan Kimmig, Ausstattung: Merle Vierck, Dramaturgie: John von Düffel. – Mit: Felix Goeser, Benjamin Lillie, Heike Makatsch, Kathleen Morgeneyer. – Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause. – Premiere an den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin: 5. Juni 2014. – Letzte Vorstellung: 2. Juni 2015

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