Superhelden-Blockbuster-Parodie in der DT-Box: „Jede Stadt braucht ihren Helden“

Bombastische Musik, pathetische Dialoge und zärtliche Küsse ihres gutaussehenden Helden: Mauerblümchen Alma (Lisa Hrdina) hat ihren Super-Veto (Timo Weisschnur) gefunden! Autor Philipp Löhle und Regisseurin Daniela Löffner zitieren sich munter durch die jüngere Filmgeschichte der Hollywood-Blockbuster von Titanic bis Superman und auch den Schauspielern macht es sichtlich Spaß, die berühmten Vorbilder auseinanderzunehmen.

Bis es in der zweiten Hälfte des Abends so weit ist, muss sich Alma recht lange gedulden. Die beiden Kleinkriminellen vom Sicherheitsdienst, der zupackende Chef Jörg (Christoph Franken) und sein auf den ersten Blick unscheinbar daherkommender Kumpel Daniel (Timo Weisschnur), lassen sie außen vor, wenn sie ihren nächsten Coup planen. Als sie schlaflos durch die Nacht streift, muss sie auch noch miterleben, wie sich die Galeristin Ella (Wiebke Mollenhauer) an den Typen ranmacht, auf den sie auch ein Auge geworfen hat. Ella, die Nachbarin, hat sich schon in Daniels Wohnung breitgemacht. Die Frage ist: Wo treibt sich Daniel nachts rum? Warum er ist er nie in seiner Wohnung anzutreffen? Gibt es noch weitere Rivalinnen? Oder holt er sich gerade auf seinen krummen Touren die nächste Schramme?

Wie erleichtert ist Alma da, als sich Daniel das T-Shirt vom Körper reißt und ihr seine wahre Identität offenbart: mit einem großen V wie Veto auf der Brust kommt er allen Bedrängten zu Hilfe. So ein Supermann ist in Philipp Löhles Welt auch dringend nötig: in den Nebensträngen dieses Abends reiht sich ein Verbrechen an das nächste Delikt. Banküberfälle, Trickbetrüger, die sich als Handwerker ausgeben und ältere Damen ausrauben. Wohin man blickt, überall regieren Gewalt und Gier. In einer Rückblende erklärt uns Alma auch, warum das so ist: seit der Eigentumsbegriff erfunden wurde, sind die paradiesischen Zeiten vorbei, als alles friedlich war und allen gemeinsam gehörte.

Aber auch mit so einem Superhelden ist man nicht auf der sicheren Seite. Was macht man nur, wenn sich der Held auf der Jagd nach dem diamantenbesetzten iPhone übertölpeln lässt und schließlich mit Klebeband gefesselt und Benzin übergossen vor dem Exitus steht? Dann muss Alma wohl doch selbst ran und auch hinter ihrer Fassade einer grauen Maus die Kräfte einer Superheldin entdecken.

An diesem Abend passt zwar nicht alles hundertprozentig zusammen und er braucht auch einige Zeit, bevor er in Fahrt kommt. Leider gelingt es in dieser neuen Zusammenarbeit von Löhle und Löffner in der Box des Deutschen Theaters auch nicht, gesellschaftspolitische Kritik und Humor so glänzend zu verknüpfen wie bei Das Ding. Dennoch ist Jede Stadt braucht ihren Helden ein unterhaltsames Spiel mit den Konventionen verschiedener Genres vomm Krimi bis zum Superhelden-Blockbuster und eine Bereicherung für die Autorentheatertage.

Merkwürdig war allerdings, dass dies neben Szenen der Freiheit schon die zweite Uraufführung eines zeitgenössischen Textes binnen weniger Wochen ist, bei der die Figuren mit dem Mantra Alles gut nicht nur sich, sondern auch das Publikum nerven. Wenn sich durch zwei Abende derselbe Running gag zieht, ist das keine große Hilfe beim erklärten Ziel des Autorentheatertage-Festivals: das Publikum auf neue Texte junger Autoren jenseits des klassischen Repertoires neugierig zu machen.

Jede Stadt braucht ihren Helden von Philipp Löhle. – Uraufführung in der Box des Deutschen Theaters Berlin: 20. Mai 2015. – Regie: Daniela Löffner, Bühne und Kostüme: Sigi Colpe, Dramaturgie: Ulrich Beck. – Mit: Christoph Franken, Lisa Hrdina, Wiebke Mollenhauer, Eric Wehlan, Timo Weisschnur. – Ca. 90 Minuten, ohne Pause

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