Geplatzte Illusionen

Thalbach-Clan und Ernst Busch-Schauspiel-Studenten spielen „Glasmenagerie“ von Tennessee Williams am Kudamm

Katharina Thalbachs letzte Regie-Arbeiten lösten genervtes Augenrollen bei den Kritikern aus. Ihre „Amphitryon“-Inszenierung am Berliner Ensemble wurde als „Schenkelklopfer-Posse“ verrissen. Auch ihr „Roter Hahn im Biberpelz“ (2014) im Theater am Kurfürstendamm wurde als „grobmotorisch“ und „krachledern“ kritisiert.

Dass sie auch ganz andere, leise Töne anschlagen kann, beweist Katharina Thalbach mit ihrem aktuellen Gastspiel im traditionsreichen Haus am Kudamm. Sie nimmt den Tennessee Williams-Klassiker „Die Glasmenagerie“ und die Figuren ernst. Es wäre leicht, die Träume der Wingfields als naiv zu denunzieren und sich über die armen Tröpfe lustig zu machen. Aber Thalbach gibt ihrem Ensemble den nötigen Raum: die fein gezeichneten Figuren laden das Publikum ein, das Familiendrama mitzuempfinden.

Ein Glücksgriff ist die Besetzung dieses Abends: das Oberhaupt des Thalbach-Clans besetzte ihre Tochter Anna Thalbach (als Amanda Wingfield) und ihre noch nicht so bekannte Enkelin Nellie Thalbach (als Laura Wingfield). Dazu engagierte sie zwei begabte Studenten der HfS Ernst Busch: Leonard Scheicher spielt Tom Wingfield, sein Kommilitone Florian Donath den Heiratskandidaten Jim O´Connor.

Es ist eine Freude, dem Quartett zweieinhalb Stunden zuzusehen. Anna Thalbach legt ihre Rolle als einer Vorläuferin der berüchtigten Helikopter-Mütter an. Wenn sie nicht in Erinnerungen von angeblich siebzehn gleichzeitigen Verehrern aus ihrer Jugend schwelgt, liegt sie ihren beiden Kindern Laura und Tom mit wohlmeinenden Ratschlägen in den Ohren: Die eine muss dringend unter die Haube gebracht werden, damit sie nicht als „alte Jungfer“ endet. Der Andere sollte mehr aus seinem Talent machen als nur in einer Lagerhalle zu schuften, findet sie.

Als Tom seinen Arbeitskollegen Jim anschleppt, ist Mutter Amanda ganz aus dem Häuschen. Sie wirft sich in Schale und will die Familie Wingfield von ihrer Schokoladenseite präsentieren, um den potentiellen Schwiegersohn zu ködern.

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Als dieser Plan scheitert, geht mehr zu Bruch als nur eine Pferde-Figur aus Lauras geliebter Glasmenagerie. Für Familie Wingfield ist eine weitere Illusion geplatzt, Ein weiterer Strohhalm, an den sie sich klammerten, hat sich als haltlos erwiesen. Das Publikum durfte hingegen einen sehenswerten Theaterabend erleben.

Florian Donath, der schon in „Fabian“ an der Schaubühne zu erleben war, überzeugt als schlaksiger Verehrer. Leonard Scheicher stellt erneut sein großes Talent unter Beweis, auch wenn ihm diesmal sein Partner Felix Strobel fehlt, mit dem er in „Zwei Herren aus Verona“ am Berliner Ensemble kongenial zusammenspielte, und obwohl er sein komisches Talent in diesem melodramatischen Stück zu selten zur Geltung bringen durfte.

Da auch Mutter und Tochter Thalbach sehr gut harmonieren, sollte man die Gelegenheit nutzen, der Familie Wingfield am Kudamm einen Besuch abzustatten.

Weitere Termine bis 17. April 2016

Bilder: Barbara Braun

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