Ende des Frühlings

„The Trip“ und „The Last Supper“ beim FIND-Festival an der Schaubühne

Die ersten beiden Abende des Festivals für internationale neue Dramatik an der Schaubühne erzählen vom Scheitern des arabischen Frühlings.

„The Trip“ von Anis Hamdoun endet mit den Stimmen seiner toten Freunde im Kopf von Ramie. Vor fünf Jahren gingen sie gemeinsam in Homs auf die Straße: Der Funke der „Arabellion“, die im Dezember 2010 in Tunesien begonnen hatte, sprang auch auf Syrien über. Die Gelegenheit schien günstig, den Aufstand gegen den verhassten Diktator Baschar Assad zu wagen.

Das Ergebnis ist bekannt: ein Bürgerkrieg mit Hunderttausenden Toten und mehr als 10 Millionen Menschen auf der Flucht. Einer von ihnen ist Anis Hamdoun, der Regisseur und Autor des Kurzdramas „The Trip“, den die Süddeutsche Zeitung vor kurzem porträtiert hat. Nachdem er im Krieg ein Auge verloren hat, kam er vor drei Jahren nach Osnabrück. Dort brachte er den kurzen, nur 40minütigen Abend im September 2015 beim „Spieltriebe“-Festival erstmals auf die Bühne.

Im kleinen Studio am Lehniner Platz geht ein Effekt verloren: die Hauptfigur Ramie (Patrick Berg) kann hier die Zuschauerreihen nicht umkreisen. Im Zentrum von „The Trip“ steht aber ohnehin der intensiv vorgetragene Text.

„The Trip“ erzählt von den Schwierigkeiten, im fremden Land anzukommen: in Homs war man jemand, hier muss man bei Null anfangen. Noch schlimmer sind die quälenden Erinnerungen an die toten Freunde und ihre Folter in Assads Gefängnissen.

Diese Bilder und Stimmen im Kopf quälen Ramie. Sie verdichten sich im Lauf des Abends zu einem bedrohlichen Klangteppich. Vor ihnen gibt es kein Entkommen, höchstens kurze Momente des Eskapismus: der Abend beginnt und endet mit einem Monolog über Käsesorten.

Weniger überzeugend war das ägyptische Gastspiel „The Last Supper“ von Ahmed El Attar: die Mitglieder einer Familie aus der Oberschicht von Kairo, die beim Militär und als Unternehmer Karriere gemacht haben, treffen sich beim Patriarchen zum Abendessen.

Die Damen sind damit beschäftigt, sich die Nägel zu lackieren und den neuesten Klatsch auszutauschen. Die Herren palavern bei Zigarren und Zigaretten über ihre neuen Geschäftsideen und behandeln ihre Dienstboten mit Verachtung. Alle zusammen haben nur ein Problem: Wie sehen wir auf den Instagram-Selfies möglichst gut aus?

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Foto: Mostafa Abdel Aty

Die Tahrir-Revolution haben diese Herrschaften einfach ausgesessen. Die alten Eliten haben sich – beschützt von General al-Sisi – längst wieder gemütlich eingerichtet.

Dieses Porträt der ägyptischen Oberschicht dauert zwar nicht mal eine Stunde, hat aber damit zu kämpfen, dass die bewusst seichten Dialoge der narzisstischen Figuren auf die Dauer langweilen.

Vorschaubild aus „The Trip“: Maik Reishau

Das komplette Programm des FIND-Festivals

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