Wie konnte die Theatertreffen-Jury diesen Abend nur übergehen? Volker Löschs „Graf Öderland/Wir sind das Volk“ vibriert vor Energie und stellt sich wie kaum eine andere Inszenierung der Spielzeit den politischen Aufwallungen und Umwälzungen vor der Haustür der Theater.
Der Abend ist aus einer Empörung heraus entstanden, die in Annedore Bauers „grandioser Wutrede“ (so auch Wolfgang Behrens in seiner Nachtkritik nach der Dresdner Premiere) kulminiert: Die Wut über die seit „König“ Kurt Biedenkopfs Zeiten von der CDU dominierte Politik in Dresden und im Freistaat Sachsen, die ihre Augen und Ohren vor rechter Gewalt und braunen Tönen verschließt und die Lage schönredet. Die Künstler und die Zivilgesellschaft fühlen sich im Stich gelassen, klagte der scheidende Intendant Wilfried Schultz.
Wie zuvor schon einige ihrer Kollegen tritt Annedore Bauer vor den Vorhang und aus ihrer Rolle heraus. Das Saallicht geht an und sie sagt ihre persönliche Meinung zur aufgeheizten Stimmung in der Stadt an der Elbe.
Ansonsten ist der Abend ein Mix aus einem zurecht nur noch selten gespielten Stück von Max Frisch („Graf Öderland“) und einer Montage von Pegida-O-Tönen. Neben Passagen aus den montäglichen Kundgebungen von Tanja Festerling, Lutz Bachmann und Jürgen Elsässer kommen auch besorgte Bürger zu Wort, die sich vor den Kameras des ARD-Magazins „Panorama“ äußerten oder in Recherche-Gesprächen der Dresdner Bürgerbühne, die den Abend mit Volker Lösch konzipierte.
Dem Deutschen Theater Berlin ist es zu verdanken, dass diese wichtige Arbeit doch noch nach Berlin eingeladen wurde. Die Inszenierung bezieht eindeutig Position, bekennt sich aber auch offen zu ihrer Ratlosigkeit, wie man mit Pegida umgehen soll, das wabernde Ängste geschickt bündelt und Stimmungen gegen Flüchtlinge schürt.
Bilder: Matthias Horn