In der ersten halben Stunde wähnt man sich statt in den Kammerspielen des Deutschen Theaters eher in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz bei einem von Jürgen Kuttners Videoschnipselabenden.
Der Radio-Moderator und Assoziativ-Schnell-Denker-und-Sprecher holt erst mal zu einer seiner berüchtigten längeren Einführungen aus. Als Spielleiter erklärt er die Regeln des Abends: Das Publikum darf sich nicht zurücklehnen und darauf beschränken, romantisch zu glotzen, sondern muss im Karaoke-Stil einige Textstellen einsprechen. Als Nächstes wird eine Glücksfee gesucht, die mit ihrer Lostrommel durchs Publikum geht und die Reihenfolge ermitteln lässt, in der die Szenen aus Brechts Fragment „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“. Nur die neunte und letzte Szene,, in der „Fatzer“ (Andreas Döhler) in Klebefolie eingewickelt und aufgehängt wird, ist fix. Sonst werden die kleinen Nummern jeden Abend nach dem Zufallsprinzip neu arrangiert. Dieser Einfall des Regie-Duos Jürgen Kuttner/Tom Kühnel ist durchaus schlüssig: Brecht hinterließ einen üppigen Zettelkasten. Ende der 70er Jahre machten sich u.a. Heiner Müller und Frank-Patrick Steckel daran, den Nachlass in eine sinnvolle Form zu bringen.
Natürlich darf auch ein Videoschnipsel nicht fehlen: Kuttner zeigt uns Archivmaterial mit Benno Besson und sehr mäßig motivierten Arbeiterinnen, die von den zuständigen Funktionären zur Teilnahme an einem sozialistischen Theaterprojekt delegiert wurden. Das Berliner Publikum in den Kammerspielen des Deutschen Theaters sind mit wesentlich mehr Leidenschaft bei der Sache und lesen brav ihre Karaoke-Texte vom Teleprompter. Wer oben mitten auf der Bühne platziert wurde, wird auch gerne mal direkt angesprochen („Pass uff, Jakob“), für eine Szene umgesetzt oder in Großaufnahme gefilmt.
Nach Kuttners unterhaltsamem Aufwärmprogramm dürfen dann irgendwann auch die fünf Spieler aus dem Ensemble des Deutschen Theaters Berlin ran: Edgar Eckert, Andreas Döhler, Alexander Khuon, Bernd Stempel und Natali Seelig scharrten in ihren glitzernden Astronauten-Anzügen schon mit den Hufen, bis sie loslegen durften.
Der restliche Abend funktioniert leider nicht mehr so gut: die Nummern wirken redundant. Die Schauspieler haben an einigen Stellen sichtlich Mühe, wieder den richtigen Einstieg zu finden. Bis auf eine Slapsticknummer von Natali Seelig mit Jürgen Kuttner live auf der Bühne und einen Videoeinspieler von Andreas Döhler von der Warschauer Brücke schleppen sich die acht Szenen bis zum Finale recht zäh dahin.
Bild: Arno Declair
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