Ein halbes Jahr vor dem Ende seiner Intendanz am Berliner Ensemble und pünktlich zum Weihnachtsgeschäft stellten Claus Peymann und seine beiden Chefdramaturgen Hermann Beil und Jutta Ferbers das Buch „Mord und Totschlag. Theater – Leben“ vor, das im Alexander-Verlag erscheint.
In einer amüsanten szenischen Collage lasen die drei langjährigen Weggefährten in verteilten Rollen bei einer Matinee am 3. Advent Texte aus Claus Peymanns langem Theaterleben. Je nach Lebensalter weckt es bei den Zuhörern nostalgische Erinnerungen oder dient als launig-informative Theater-Geschichtsstunde.
Oft wird das BE von der Berliner Kritik als angestaubtes Theatermuseum geschmäht, das in einer altbackenen Ästhetik erstarrt sei. Peymann habe seine Ankündigung, „Reißzahn“ im Regierungsviertel sein zu wollen, die er 1999 in einem seiner Interviews machte, zu selten eingelöst.
Jahrzehntelang kam die Kritik aus einer ganz anderen Richtung. Peymann galt als Bürgerschreck, seitdem die „Publikumsbeschimpfung“ am Frankfurter TAT ihn und Peter Handke zu Jungstars gemacht hat.
Die beiden verbindet bis heute eine enge künstlerische Beziehung, im Frühjahr brachte Peymann zum 11. Mal einen Handke-Text zur Uraufführung: die mystisch-traumverlorene Sinnsuche „Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße“.
Nach einem kurzen Intermezzo bei Peter Stein in den Anfangszeiten der legendären Schaubühne am Halleschen Ufer mischte Peymann das Stuttgarter Staatsschauspiel auf.
Als er einen Spendenaufruf für eine Zahnbehandlung der in Stammheim einsitzenden RAF-Terroristin Gudrun Ensslin am Schwarzen Brett aufhängen ließ und darum bat, die Spenden bei seiner Sekretärin abzugeben, war er für die Filbinger-CDU endgültig ein rotes Tuch. 1979 musste er gehen und zog mit fast seinem kompletten Team und Ensemble nach Bochum. Über diese Zeit ließ Peymann ein paar bissige Bemerkungen über Heiner Müllers Dramentexte fallen, bevor die Matinee auf die hohen Wellen einging, die seine Burgtheater-Intendanz (1986 – 1999) schlug.
Eingespielte Aufnahmen von den Emotionen, die vor allem die „Heldenplatz“-Inszenierung (1988) auslöste, Zitate von Elfriede Jelinek und Thomas Bernhard, der ihn damals aufforderte, eine Fahne mit dem Slogan „Mord und Totschlag“ über dem Burgtheater zu hissen, und polternde Bemerkungen in einem ZEIT-Interview, die in Wien für einen Eklat sorgten, lassen auch für alle, die nicht dabei waren, diese spannenden Jahre lebendig werden.
Die unterhaltsame Matinee machte Lust, in dem 500 Seiten-Band mit seinen zahlreichen Abbildungen zu schmökern. Patrick Wildermann freute sich im Tagesspiegel über ein großartiges Buch: „Für Peymann-Enthusiasten wie für Peymann-Hasser. An Reibungsflächen mangelt es nicht. Und vor allem bietet das Buch, neben all den Preziosen, imme wieder auch lesenswerte, tiefer gehende Kapitel.“ Am 14. Dezember wird das Buch auch am Wiener Burgtheater vorgestellt.
Bild: © privat
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