Die neue Produktion des Jungen DT in den Kammerspielen des Deutschen Theaters überrascht damit, dass die Jugendlichen auf der Bühne ganz unter sich bleiben. Jessica Glause erarbeitete ihre Fassbinder-Adaption „Katzelmacher“ mit elf Schülerinnen und Schülern. Anders als in „Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf…“ oder „2 Uhr 14“ stehen ihnen diesmal keine erfahrenen Profis zur Seite.
Die zweite Setzung des Abends ist, dass die zentrale Rolle des Jorgos eine Leerstelle bleibt. Der griechische „Gast- oder Fremdarbeiter“ – so nannte man die Zuwanderer bekanntlich Ende der 60er Jahre, als Rainer Werner Fassbinder mit 24 Jahren dieses Stück schrieb – ist eine Projektionsfläche. Bei den einen löst er Sehnsüchte aus. Einige junge Frauen erträumen sich eine Zukunft mit potentem, exotischem Lover, der sie aus der bisherigen Tristesse herausreißt. Die Männer reagieren eher ängstlich auf den „Eindringling“ in ihr „Revier“. Sie überspielen ihre Unsicherheit mit Aggression und Hass.
Das Leitmotiv des knapp 80minütigen Abends: Wenn die Meute oder Einzelne den Neuankömmling Jorgos ansprechen, gehen ihre Worte ins Leere. Damit sollen die im Programmheft zitierten Fragen aufgeworfen werden: „Was, wenn es für Fremdenfeindlichkeit gar keinen Fremden braucht? Was, wenn Jorgos nur in den Köpfen existiert? Wenn das abgelehnte Andere eine Projektion des Eigenen ist?“
Die Berliner Jugendlichen treffen die bayerisch eingefärbte Umgangssprache der Fassbinder-Figuren erstaunlich gut, wenn sie lamentieren: „Das hat mal sein müssen, weil der hier rumläuft, wie wenn er hergehört.“ Ihre lasziven Choreographien nimmt man ihnen in ihrem Teeanger-Alter aber noch nicht ganz ab: diese Szenen wirken noch zu gekünstelt und angelernt.
Fraglos passt das Fassbinder-Drama, mit dem der junge Regisseur 1968 am Münchner Action-Theater und ein Jahr später auch im Kino erste Erfolge hatte, gut in unsere Zeit. Die fremdenfeindlichen Töne der Figuren und die Forderung „Eine Ordnung muss wieder her“ klingen aus aktuellen Diskussionen gefährlich vertraut.
Bild: Arno Declair