Im Wettbewerb lief heute neben der ungarischen Liebesgeschichte „Testről és lélekről/On Body and Soul“ von Ildikó Enyedi über zwei einsame Seelen, die in einer Schlachtfabrik zueinander finden, das Drama „The Dinner“ von Oren Moverman.
Der israelische Regisseur machte mit seinem Debüt 2009 auf sich aufmerksam: sein Kriegsdrama „The Messenger- Die letzte Nachricht“ gewann damals einen Silbernen Bären und den Friedensfilmpreis der Berlinale und war im folgenden Jahr für einen Oscar nominiert.
The Dinner
Für seinen neuen Film „The Dinner“ hat er einiges an Prominenz versammelt: Richard Gere spielt den aalglatten Abgeordneten Stan Lohman, der britische Schauspieler Steve Coogan verkörpert seinen Bruder Paul, einen verbitterten Geschichtslehrer. Ihre beiden Frauen spielen Laura Linney und Rebecca Hall.
Bild: © 2016 Tesuco Holdings Ltd
Die beiden Paare treffen sich zu einem Fünf-Gänge-Menü in einem angesagten Edel-Restaurant. In der ersten Hälfte erinnert der Film an die französischen Salonkomödien von Yasmina Reza: zwei sich kabbelnde Paare, die sich gegenseitig den Abend versauen. Die Figuren sind sehr klischeehaft gezeichnet. Dies bemängelten auch schon Kritiker der Roman-Vorlage „Angerichtet (Im Original: Het Dinner)“ des Niederländers Herman Koch.
Im Lauf des zweistündigen Films häufen sich die Rückblenden. Die Charaktere bekommen etwas mehr Tiefe und werden differenzierter gezeichnet. Der Film wird aber thematisch überfrachtet und droht unter seiner Last, die er sich aufgehalst hat, zu zerbrechen. Es werden nicht nur das schwierige Verhältnis der beiden Brüder, sondern auch der Lungenkrebs-Tod einer Kettenraucherin, psychische Erkrankungen, Rassismus und als wiederkehrendes Motiv die Schlacht von Gettysburg im Amerikanischen Bürgerkrieg verhandelt.
Im letzten Drittel schwingt sich dieses Kammerspiel dazu auf, sich mit einer griechischen Tragödie zu messen. Kindlers Literatur Lexikon analysierte, dass sich schon die Romanvorlage von Kahn ganz ausdrücklich an der klassischen Struktur der griechischen Antike orientierte, wie sie Aristoteles in seiner „Poetik“ dargestellt hat. Im Film bezieht sich Paul in einem Eröffnungs-Monolog darauf, am Schluss kommt sein Bruder Stan explizit auf die griechische Tragödie zurück.
Leider fehlt dem Film „The Dinner“ die nötige Fallhöhe, so dass er seinem Anspruch, eine moderne Tragödie zu erzählen, nicht gerecht wird. Zu holzschnittartig verhandeln die vier Personen das Dilemma, ob sie ein Verbrechen der Söhne unter den Teppich kehren oder der Polizei melden sollen. Die Entscheidung drängt, da sich Stan zum Gouverneur wählen lassen möchte.
„The Dinner“ ist kein ganz misslungener Film, wird aber von seinem eigenen Anspruch und der Fülle seiner Themen schier erdrückt, so dass er nicht über gute Ansätze hinaus kommt und auch als Tragikomödie nur mäßig funktioniert. In dem Fall ist vielleicht die Lektüre der Roman-Vorlage lohnender, die als Schlüsselroman auf prominente niederländische Politiker wie Ex-Premier Jan Peter Balkenende anspielte.
T2 Trainspotting
Barry Lyndon
Die italienische Kostümdesignerin Milena Canonero wird in diesem Jahr mit einem Ehrenbären für ihr Lebenswerk geehrt. Die Hommage beginnt mit dem Historiendrama „Barry Lyndon“, für das sie 1976 ihren ersten von vier Oscars gewann.
Die Warner Brothers hatten bei diesem Film arge Bauchschmerzen. Das mehr als dreistündige, sehr elegisch und mit viel Liebe zum Detail erzählte Epos über den Aufstieg und Fall der Titelfigur verlangt seinem Publikum Sitzfleisch und den Willen, sich einzulassen, ab. Zu wunderschöner, sehr stimmiger Musik und mit der sanften Ironie des Voice-over-Kommentars folgen wir dem Werdegang von Redmond Barry (Ryan O´Neal), der an einen klassischen Schelmenroman erinnert und auf einer Vorlage von William Mackpiece Thackeray basiert.
Für den Soundtrack bediente sich Leonard Rosenman vor allem bei Händel und Bach, aber auch bei traditionellen irischen Klängen. Dafür gab es 1976 den zweiten von vier Oscars. Nur „Einer flog über das Kuckucksnest“ war damals mit sechs Trophäen erfolgreicher.