Die zwei Monddiebe

„Die zwei Monddiebe“: hinter diesem Titel verbirgt sich erstens ein polnischer Märchen-Film für Kinder aus dem Jahr 1962. Was damals keiner ahnen konnte: Die beiden Hauptdarsteller Lech und Jaroslaw Kaczyński entwickelten sich zu einflussreichen Politikern. Lech kam bekanntlich im April 2010 als amtierender Präsident auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer von Katyn in Smolensk bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Um dieses Unglück ranken sich bis heute zahlreiche Spekulationen und auch Verschwörungstheorien. Jaroslaw ist als Vorsitzender der regierenden PiS-Partei zwar ohne Amt in der Exekutive, aber der Spiritus rector des Kurses, der stramm gegen die EU, gegen Zuwanderung von Muslimen und gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gerichtet ist.

„Die zwei Monddiebe“ ist zweitens der Titel einer Solo-Performance der polnischen Schauspielerin Marta Malikowska, die sie mit dem Regietalent Krzysztof Minkowski als Auftakt der Reihe „Mythen der Wirklichkeit“ fürs Studio des Gorki Theaters erarbeitet hat.

Sie schlüpft in die Rolle der Stewardess Beata, die das Publikum in der Unglücks-Tupolew von 2010 begrüßt, Wodka ausgibt und einen angenehmen Flug wünscht. Als Unterhaltungsprogramm an Bord werden kurze Ausschnitte des Märchens gezeigt und Chopin-Klänge eingespielt.

Die Stewardess Beata verwandelt sich jedoch zwischendurch in die Ministerpräsidentin Beata Szydlo: eine böse Anspielung darauf, dass sie nur eine Marionette des Parteichefs ist. Kern dieser nur eine knappe Stunde kurzen Performance ist eine Parlamentsrede der Ministerpräsidentin aus dem vergangenen Jahr, in der sie die polnische Gesellschaft in zwei Gruppen einteilt. Der Regisseur fasste die Rede in einem rbb-Gespräch so zusammen: „Entweder ihr seid auf unserer Seite, d.h. Polen muss nationalistisch werden oder Polen muss sich wehren gegen die Europäische Union, Polen muss zurückkehren zum Katholizismus oder ihr seid bei den anderen Verrätern, d.h. bei den liberalen Leuten und die Teilung ist extrem, da wird nicht mehr geredet oder diskutiert, da werden Grenzen gezogen, entweder ihr seid auf unserer Seite oder gegen uns und das ist natürlich rhetorisch sehr gefährlich.“

Über den künstlerischen Wert dieser handwerklich soliden Performance, die mit einem eindringlichen Appell ans Publikum endet, kann man, wie so oft bei politischem Theater, trefflich streiten. Politisch ist es ein starkes Statement für Demokratie und Menschenrechte und gegen Rechtspopulismus, die sehr gut zum Markenkern des Gorki Theaters passt.

„Die zwei Monddiebe“ wird  im Juni bei einem Polen-Schwerpunkt des Gorki Theaters zu sehen sein, zu dem auch das neue Stück „Der Fluch“ von Oliver Frljić eingeladen wird, das Blasphemie-Vorwürfe erntete und bei der Premiere in Warschau einen „Skandal mit Ansage“ (Süddeutsche Zeitung) auslöste.

Das Stück hatte am 8. Oktober 2016 im Studio Я Premiere. Weitere Informationen

Bild: Esra Rotthoff

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