Queerious

In einer assoziativen Collage nähern sich acht junge Erwachsene zwischen 18 und 24 im Studio Я des Gorki-Theaters der Frage, was für sie „Queerness“ bedeutet.

Der Abend ist auf dem Programmflyer als „zeitgeschichtliche Ideensammlung zu Solidarität“ überschreiben: das ist Markenzeichen und zugleich auch die Schwäche dieser Stückentwicklung. Die Ideen sprudeln nur so, die Spielerinnen und Spieler reden teilweise wild durcheinander, mischen sich unters Publikum, das somit fast ständig damit beschäftigt ist, die Hälse zu verdrehen, um nichts zu verpassen. Alle Themen, die dem postmigrantisch, queeren Gorki Theater wichtig sind, werden hier angesprochen: der Blick von Migranten, Schwarzen, LGBTI und anderen Minderheiten auf eine weiße, heteronormative Mehrheitsgesellschaft. Kolonialismus, sexuelle Belästigung, Kritik an Roland Emmerichs geschichtsklitternder Hochglanz-Hollywood-Produktion über „Stonewall“: vieles wird angerissen, der Zettelkasten quillt förmlich über, nur selten geht es bei „Queerious – Die Geburt des Vulkans“ in die Tiefe.

Es gibt sie durchaus, die stillen, gelungenen Momente an diesem knapp einstündigen Abend: Ronald Berger erzählt von seinem Coming-out in Costa Rica. Nur seine Mutter stand immer zu ihm, der Vater und die Oma hatten lange damit zu kämpfen, beteten für seine „Heilung von seiner sexuellen Verirrung“ und sind erst versöhnt, seit er mit seinem Freund eine kleine Tochter großzieht.

Chantal Süss, die ebenso wie Nathalie Seiss schon im stärkeren und wesentlich besser verdichteten Vorgängerprojekt „Stören“ vor einem Jahr dabei war, reflektiert in einem Monolog zu Overhead-Folien darüber, wie die lesbische Eurovision Song Contest-Siegerin von 2007 auf sie wirkte. Sie erinnert sich daran, welche Fragen sie sich damals stellte: Soll sie diesem Rollenmodell der maskulin wirkenden Frau mit Kurzhaarfrisur nacheifern, das bei der ersten Begegnung sofort klare Zuschreibungen im Kopf des Gegenübers auslöst? Was faszinierte sie daran? Was stieß sie ab? Diesen Denkbewegungen hätte der Abend gerne noch ausführlicher folgen können.

Leider blieb „Queerious“ jedoch in einer Stoffsammlung stecken. Vor dem zweitschönsten Glitzervorhang Berlins nach dem Kino International versammeln sich die Spielerinnen und Spieler zu einer Schlussszene. Was für sie „Queerness“ bedeutet, bleibt sehr vage: ein noch recht diffuser Traum von einer irgendwie schöneren, freieren Welt mit mehr Möglichkeiten zu einem selbstbestimmten Leben.

Bild: Esra Rotthoff

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