Selbstbezichtigung

Die kurzen, abgehackten Sätze: Dies ist unverkennbar der Sound des frühen Peter Handke, als er noch unangepasster Rebell, Bürgerschreck des Abopublikums und Stachel im Fleisch der Gruppe 47 war. „Publikumsbeschimpfung“ war damals sein erster großer Hit, aus derselben Zeit stammt seine „Selbstbezichtigung“ (1966), die im Kleinen Haus des Berliner Ensembles als Monolog von Stefanie Reinsperger zu erleben ist.

Der prominente Neuzugang von Oliver Reeses mit Stars gespicktem Ensemble brachte diesen nur eine Stunde kurzen Abend von ihrer vorherigen Wirkungsstätte am Wiener Volkstheater mit. Vor dem Stück geht sie durch die Reihen und verteilt ein paar Apfelschnitze an das Publikum. In den ersten Szenen kauert sie halbnackt auf dem Boden und tastet sich ganz langsam an die Menschwerdung dieser Eva-Figur heran. Fast jeder Satz beginnt mit „Ich“. Einem „Ich“, das sich seiner selbst und der Welt noch nicht gewiss ist.

Stefanie Reinsperger lässt sich jedes Wort auf der Zunge zergehen, spielt mit verschiedenen Varianten der Betonung, wird langsam selbstsicherer und frecher. Vor der großen Videowand synchronisiert sie ihre früheren Wiener Inszenierungen, die sie mit Regisseur Dušan David Pařízek erarbeitet hat, wie z.B. die „Nora³“ (nach Ibsen/Jelinek) oder „Die lächerliche Finsternis“, mit der sie beim Theatertreffen 2015 gefeiert wurde.

Der kurze Abend berauscht sich an der Sprachakrobatik des Textes und den pantomimischen und gestischen Untermalungen der Performerin. Eingestreute Fremdtexte und vulgärste Wiener Dialekt-Passagen lockern das Stück auf, das mehrfach in die Gefahr gerät, zu eintönig und langweilig zu werden.

Im letzten Drittel gerät der Monolog zur großen,  unter Tränen hervorgeschluchzten Lebensbeichte der Reinspergerin, wie sie sich selbst auf Instagram nennt.

Bild: © Ulrike Rindermann / Volkstheater Wien

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