Mit einem sehr persönlichen, autobiographisch geprägten Film abseits des Mainstreams reüssierte der französische Regisseur Robin Campillo in diesem Frühjahr bei seinem Cannes-Debüt: sein AIDS-Drama „120 BPM“ wurde mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet und erhielt auch gleich noch den FIPRESCI-Preis.
Mit dokumentarisch anmutender Genauigkeit erzählt Campillo von Act Up: Diese Gruppe, die sich mit vollem Namen „AIDS Coalition to Unleash Power“ nennt, gründete sich 1987 in New York. Zwei Jahre später schlossen sich auch in Paris Aktivisten zusammen. Ihre Wut zielte auf den Staatspräsidenten Mitterand, der die AIDS-Epidemie in den 80er Jahren nicht ernst genug genommen und zu wenig für die Prävention unternommen hat.
Die Gruppe ist bekannt für ihre sehr medienwirksamen, drastischen Aktionsformen, mit denen sie die Öffentlichkeit wachrütteln wollte. So beginnt der Film auch mit einer Störaktion inklusive Kunstblut, mit der sie ein Event des Gesundheitsministeriums torpedierte. Die Aktionsformen wurden basisdemokratisch ausdiskutiert, in einer der stärkeren Szenen dieses mit 143 Minuten zu langen Films wurden Vertreter einer Pharma-Firma wie vor ein Tribunal vorgeladen.
Campillo erzählt seine Zeitreise in die frühen 90er Jahre als Kompilation verschiedener Erfahrungen, die er während seines Act up-Engagements ab 1992 gemacht hat. Der Film ist um die tödlich endende Liebesgeschichte von Sean (Nahuel Pérez Biscayart) und Nathan (Arnaud Valois) herum konzipiert, die dem Publikum nichts erspart: Der schleichende körperliche Verfall, die immer schlimmer werdenden Symptome und auch die ethische Frage, ob Sterbehilfe in diesem Fall eine Erlösung von langem Leid sein kann, breitet Campillo in geradezu epischer Länge aus.
„120 BPM“ vertieft sich akribisch in die Details der HIV-Forschung, erreicht aber leider nur in wenigen Momenten die packende Intensität von Campillos vorherigem Film „Eastern Boys“. Einer dieser zu seltenen Augenblicke waren die Szenen einer großen Act up-Aktion zu den „Small Town Boy“-Klängen von Bronski Beat.
„120 BPM“ startet nach der Premiere in Cannes am 30. November in den deutschen Kinos
Bilder: Edition Salzgeber