Die hautengen, bemalten Ganzkörper-Anzüge, in die Ersan Mondtag seine Spielerinnen und Spieler steckt, kennen wir bereits aus „Die Vernichtung“, seiner zum Theatertreffen 2017 eingeladenen Berner Inszenierung. Narzisstische Adonisse turnten damals durch ihr Hipster-Paradies, klagten über den Druck im Job und ihre innere Leere. Ästhetisch war das damals schon sehr beeindruckend, inhaltlich und dramaturgisch blieb es mager.
Dies ändert sich am Schauspiel Dortmund: gemeinsam mit dem Musiker T.D. Finck von Finckenstein und den beiden Dramaturgen Alexander Kerlin und Matthias Seier entwarf Ersan Mondtag (zuständig für Regie, Bühne und Kostüme) eine von der schwarzen Romantik geprägte Albtraumwelt. „Das Internat“ ist eine ort- und zeitlose Burg, die mit ihren Zinnen und Türmen abschreckend wirkt. Im Innern führen die Zöglinge in ihren Uniformen sogar die Löffel beim Mittagessen im Speisesaal im selben Takt zum Mund.
Mondtag zeichnet ein suggestives Bild vom Kreislauf der Gewalt. Mobbing, Drill, das bekannte Radfahrerprinzip des nach oben Buckelns und nach unten Tretens ziehen sich durch den nur knapp 90 Minuten kurzen Abend, der mit einem in die Enge getriebenen Mitschüler beginnt und mit Maschinengewehrsalven endet. Statt eines Plots wie im klassischen Erzähltheater ruft Mondtag Motive aus der Internatsliteratur von Herman Hesse bis Robert Musil auf, aus denen eine stimmige Collage entsteht.
Eine raunende Mädchenstimme führt in den Abend ein, zitiert Textfetzen von Heiner Müller und gibt damit den düsteren Ton vor, der konsequent durchgehalten wird. „Das Internat“, das Mondtag gemeinsam mit Dortmunder Ensemble-Mitglieder und dem 2. Studienjahr der Folkwang-Schule entwickelte, gehört zu den besseren Arbeiten des hoch gehandelten Shootingstars. Mit „Die letzte Station“ produzierte er am Berliner Ensemble einen schnell abgesetzten Flop, sein „Internat“ hat ein anderes Format und überzeugt nicht nur ästhetisch, sondern als anregender Theaterabend. Der verdiente Lohn ist Ersan Mondtags dritte Einladung zum Theatertreffen im Mai 2019.
Bilder: Birgit Hupfeld