Nach einer wahren Geschichte

Roman Polanski sorgte zuletzt vor allem für negative Schlagzeilen. Vor einigen Tagen schloss ihn die Academy of Motion Picture Arts and Sciences aus, die jährlich die Oscars vergibt. Dies ist die späte Konsequenz einer Anklage aus dem Jahr 1977. Gegen ihn wurde damals der Vorwurf erhoben, eine 13jährige vergewaltigt zu haben. Dem Prozess entzog er sich durch Flucht nach Paris. Der Ausschluss aus der Academy mehr als vier Jahrzehnte später ist sicher damit zu erklären, dass die #metoo-Debatte und der Fall Harvey Weinstein so hohe Wellen geschlagen und für ein verändertes Bewusstsein gesorgt haben.

Aber auch auf der Leinwand gibt es nach längerer Pause etwas Neues vom mittlerweile 84jährigen, preisgekrönten Regisseur. Mit „Nach einer wahren Geschichte“, der Adaption des Bestsellers „D’Apres Une Histoire Vraie“ von Delphine de Vigan, kehrt Polanski zu Motiven seines Frühwerks zurück. Das Kammerspiel kreist um die Themen Identität, Verrat, Abhängigkeit, Vereinnahmung und Psychopathologie.

Die Starschriftstellerin Delphine (verkörpert von Polanskis Ehefrau Emmanuelle Seigner) wird auf einer Lesereise von der geheimnisvollen Elle (Eva Green) angesprochen. Da sie unter einer Schreibblockade leidet und sie sich einsam fühlt, weil ihr Mann für eine TV-Reportage-Reihe quer um den Globus jettet und prominente Autoren interviewt, ist sie für die Abwechslung dankbar. Da Elle als „Ghostwriterin“ vom Fach ist, sind Delphine die Tipps anfangs durchaus willkommen. Recht schnell wird aber klar, dass es sich bei Elle um eine übergriffige Stalkerin handelt, der Delphine denkbar naiv das Ruder überlässt: Sie gibt ihr das Passwort für ihren Email-Account und lässt sie auch an ihren Kleiderschrank, damit Elle die Star-Autorin bei einem lästigen Pflichttermin vertreten kann.

„Nach einer wahren Geschichte“ beginnt recht vielversprechend und ist ein gediegenes Kammerspiel mit zwei starken Schauspielerinnen. Schon bei der Premiere, als der Film zum Abschluss des Festivals in Cannes 2017 lief, war die Resonanz sehr verhalten. Zurecht bemängelten die Kritiken, dass sich keine echte Spannung aufbaue. Kino-Zeit.de schlug vor: „Hätte Polanski den der Geschichte innewohnenden B-Movie-Trash einfach noch weiter auf die Spitze getrieben und vielleicht hier und da an der Spannungsschraube gedreht hätte, wäre womöglich ein großer Wurf geworden. So aber ist bloß ein kurzweiliger Thriller entstanden.“ Enttäuschend ist vor allem das Ende, das zu schal versandet.

Den Kern des Problems benannte die Frankfurter Rundschau: „Leider verspielt Polanski schnell den Zauber des Anfangs, zu bald kann man sich die nächsten Schritte der Protagonisten immer etwas früher ausmalen, als sie geschehen. Einen gröberen Fehler kann man aber bei der Inszenierung eines Thrillers nicht begehen.“ Auch Cornelia Geissler wird in ihrer Kritik sehr konkret, was der Regisseur hätte anders machen müssen: „Roman Polanski lässt seine Schauspielerinnen in den begrenzten Räumen der Wohnung und des Landhauses jede Begegnung überdeutlich zeigen, als stünden sie auf einer Bühne, von der aus sich die Spannungen noch bis auf die hintersten Plätze verbreiten müssten. Der Regisseur vertraut nicht der besonderen Magie des Kinos, mit der Kameraperspektive, mit dem Licht, mit flüchtigen Kontakten eine Situation so anzureißen, dass es in der Schwebe bleibt, ob sie erlebt oder erträumt ist.“

Auch im Vergleich mit der literarischen Vorlage schneidet der Film schlecht ab: Die taz attestierte Polanski und seinem Drehbuch-Co-Autor Olivier Assayas „prinzipielles Nichtverstehenwollen dessen, was im Roman vor sich geht.“

Bilder: Carole Bethuel / Studiocanal GmbH

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