Grimmige Märchen

Willkommen in der Welt des Herbert Fritsch! Aus der engsten Fritsch-Familie, die nach dem Umbruch an der Volksbühne im vergangenen Jahr in der Schaubühne am Lehniner Platz eine neue künstlerische Heimat gefunden haben, ist nur Florian Anderer in „Grimmige Märchen“ dabei. Er springteufelt sich aber mit einer Energie durch diesen 90 Minuten kurzen Abend, die auch für drei reichen würde. Auch Fritsch Stamm-Musiker Ingo Günther fehlt diesmal.

Im April 2017 hat Fritsch diesen Abend mit dem Zürcher Ensemble im Pfauen entwickelt. Dort ist er leider bereits aus dem Repertoire verschwunden, war aber nun zu zwei allerletzten Vorstellungen zur Eröffnung des 10. Hamburger Theaterfestivals ins Ernst Deutsch Theater eingeladen.

„Grimmige Märchen“ bietet alles, was seine Fans lieben: die quietschbunten Kostüme von Victoria Behr, eine überdimensionale Kissenlandschaft (Bühne: Herbert Fritsch himself), die zum Toben, Sich-Entlang-Hangeln und Kugeln einlädt und sofort nostalgische Kindheitserinnerungen auslöst. Überraschend ist, dass die Spieler*innen bei all dem Fritsch-üblichen Slapstick, höheren Blödsinn und Klamauk keine Kissenschlacht beginnen. Natürlich darf auch das Trampolin als wiederkehrendes Motiv von Fritsch-Abenden nicht fehlen.

Anders als bei seinen frei assoziierenden Abenden „Null“ oder „Pfusch“ bediente sich Fritsch diesmal bei einer greif- und nachlesbaren Vorlage, dem Märchen-Schatz der Brüder Grimm. Die bekanntesten Figuren wie Hänsel und Gretel, das Rotkäppchen, die Rapunzel in einem Haar-Extension-Sketch und König Drosselbart in einem Telefon-Slapstick werden in dieser Revue nur kurz zitiert. Fritsch konzentriert sich vor allem auf die abseitigeren, verdrängten Stoffe. Wir erleben in diesen bitterböse mit dem Zeigefinger schwarzer Pädagogik fuchtelnden Szenen reihenweise Kinder, die verängstigt und eingeschüchtert werden.

Mit „Grimms Märchen“ schaffte es Herbert Fritsch nach sieben Theatertreffen-Einladungen in sieben Jahren (2011 mit gleich zwei Stücken, nur 2015 musste er pausieren) nur auf die Longlist der Auswahl und nicht ins Finale der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen. Diese Entscheidung geht in Ordnung: Mit den düsteren Motiven aus der schwarzen Romantik bringt Fritsch zwar eine neue Note in seine Regie-Arbeiten. „Grimmige Märchen“ ist aber über weite Strecken zu sehr eine Variation seiner bekannten Kabinettstückchen und Regie-Vorlieben.

Bildrechte: Toni Suter/T + T Fotografie

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