Have a cup of tea mit Sophie Rois

Für den neuen Star im Ensemble ließ sich das Deutsche Theater Berlin nicht lumpen und holte das gute Service aus dem Schrank. Sophie Rois, eine der prägendsten Spieler*innen und vor allem Stimmen der Castorf-Ära an der Volksbühne, tritt nach ihrer kleinen Pollesch-Fingerübung „Cry, Baby“ nun mit ihrer zweiten Arbeit auf die Bühne. Schick zurecht gemacht nimmt sie auf den gepolsterten Sesseln neben ihren beiden Musikern Mark McRae und Clemens Maria Schönborn Platz und gönnt sich zunächst mal eine Tasse Tee.

Ihre musikalische Lesung mit dem Untertitel „Songs und Stories über Inzest, Unschuld und Klassenbewusstsein“ ist keine Neuproduktion fürs DT Berlin, wo sie nach mit Chris Dercon ausgehandeltem „Gastierurlaub“ und ihrer Kündigung an der Volksbühne zur neuen Spielzeit hinwechselte, sondern hatte bereits kurz vor der Sommerpause am 1. Juli im Großen Saal von Schloss Neuhardenberg Premiere.

Die beiden Erzählungen, die Sophie Rois gewohnt effektsicher vorträgt, sind jedoch so gar nicht aristokratisch und Lady-like. Vielmehr grenzen sie sich ironisch von der geblümten Biedermeier-Teegesellschaft ab, in der es sich Sophie Rois gemütlich macht.

Der Brite Ian McEwan ist heutzutage vor allem als Autor wohltemperierter Romane bekannt, deren Leinwandverfilmungen wie „Abbitte“ (2008) oder „Kindeswohl“ (Kinostart Ende August) elegische bis gepflegte Langeweile verströmen. Rois griff sich zwei frühe Kurzgeschichten von funkelnder Boshaftigkeit heraus: „First Love, last Rites“ (1975), das 1982 in Harry Rowohlts Übersetzung als Titelgeschichte von „Erste Liebe, letzte Riten“ bei Diogenes erschien, und „Homemade/Hausmittel“ aus demselben Band.

Mit diebischer Freude genießt sie es, alle ekligen Details der Jagd nach einer Ratte, die schließlich aufgespießt und zerteilt am Boden liegt, auszubreiten und dann ganz unschuldig an ihrem Tee zu nippen. Wenn sie sich in die pubertären Phantasien eines Teenagers hineinversetzen darf, blüht Rois sichtlich auf. Das Publikum lauscht gebannt, wie sie von einem Jungen berichtet, der sich an seine ersten Sex-Versuche herantastet, und mit teuflischen Tricks seine kleine Schwester unter dem Vorwand „Vati und Mutti“ zu spielen, in eine Inzest-Falle lockt.

Nur unterbrochen von „Kinks“-Songs und ohne weitere Zwischen-Moderationen legt Sophie Rois nach knapp 90 Minuten ihr fein säuberlich gestapeltes Manuskript beiseite und verabschiedet sich höflich von ihrem Publikum, das auf die nächste charmante Einladung zum Tee hofft.

„Have a cup of tea mit Sophie Rois“ steht nach der Premiere am 2.10.2018 auch am 6. November und 7. Dezember auf dem DT-Spielplan.

Bild: Arno Declair

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