Ein erstaunliches Filmdebüt gelang Gustav Möller, einem 30jährigen Schweden, der in Dänemark lebt: sein Thriller „The Guilty“ (im Original: „Den skyldige“) ist noch minimalistischer als ein Kammerspiel. Über die gesamten 88 Minuten verlässt die Kamera die klaustrophobische Enge einer Notrufzentrale nicht. Erst in der letzten Einstellung sehen wir, wie der Protagonist Asger (Jakob Cedergren, der aus skandinavischen Krimiserien wie „Nordlicht – Mörder ohne Reue“ und „Mord in Mitsommer“ bekannt ist) langsam zur Tür ins Freie wankt.
In den ersten Minuten hinterlässt Asger einen unsympathischen Eindruck: Lustlos hört er sich die Anrufe an, kanzelt die Hilfesuchenden barsch ab, wie sie nur so naiv sein und sich in so gefährliche Situationen begeben konnten. Nach dem Motto „Selbst schuld“ tut er nur das Nötigste und langweilt sich sichtlich. Er wurde vom Streifendienst hierher strafversetzt. Am nächsten Morgen steht eine Anhörung bevor, die ihm Klarheit bringen soll, welche berufliche Perspektive er nach einem Fehltritt noch hat. Nach einem Fehltritt, der sich erst Schritt für Schritt im Lauf des Films enthüllt.
Als er einen Anruf von Iben erhält, erwacht plötzlich seine Empathie. Wie elektrisiert sammelt er mit Kopfhörer, Telefon und Computerdateien seine Puzzle-Teile, treibt die phlegmatischen Kolleg*innen an, schiebt freiwillig Überstunden. Er will der Frau, die von ihrem Ex entführt wurde, helfen, und hat der sechsjährigen Tochter Mathilda versprochen, dass er ihre Mutter heil zurück bringen wird.
Polizei-Thriller und Familiendrama werden raffiniert verwoben. Das Publikum erfährt immer nur bruchstückhaft das Notwendigste und ist nie klüger als der Polizist, der vor dem Dilemma steht: Soll er die Vorschriften dehnen und auf eigene Faust weiter ermitteln? Ist das Nothilfe und würde er sich andernfalls unterlassener Hilfeleistung schuldig machen?
„The Guity“ erzählt überzeugend wie sich der Polizist im Lauf der Nacht in Schuld verstrickt, da er in bester Absicht entscheidende Fehler begeht. Fehler, die aber auch viele von uns in derselben Situation wahrscheinlich begehen würden.
Der Film war der Favorit des Publikum in Sundance im Januar 2018, wird von Dänemark im kommenden Jahr ins Oscar-Rennen geschickt und startete am 18. Oktober 2018 in den deutschen Kinos.
Bilder: © Nikolaj Møller