dritte republik

Barbara Nüsse, die Grande Dame des Hamburger Theaters, allein auf der fast leeren Bühne der Thalia-Außenspielstätte in der Gaußstraße. Eingehüllt in die Schwaden ihrer Zigarette und der Nebelmaschine beginnt sie einen Monolog: Tastend und Orientierung suchend. Es schält sich heraus, dass wir es hier mit einem weiblichen K., einer Landvermesserin, zu tun haben. In seiner Überschreibung von Motiven aus dem berühmten Roman-Fragment „Das Schloss“ ist Nüsse mit der Sisyphos-Aufgabe betraut, die Grenzen Europas nach dem 1. Weltkrieg neu zu ziehen und zu vermessen.

In den knapp zwei Stunden der Uraufführung von „dritte republik“, der neuen Arbeit des österreichischen Shootingstars Thomas Köck, trifft Nüsse auf allerlei schräge Figuren: auf einen Kutscher (Björn Meyer), auf eine todessehnsüchtige, österreichische Fallschirmspringerin (Victoria Trautmannsdorff), auf einen Patienten im Selbst-Optimierungsrausch, der dem Sanatorium auf Thomas Manns „Zauberberg“ entsprungen sein könnte und seinem Idol Heidi Klum nacheifert (Bekim Latifi) und einem in einer Zeitschleife gefangenen, sich selbst mit Pistolenschüssen malträtierenden Reeder (Tilo Werner). Zwischendurch schaltet sich – wie schon in seiner vorherigen Arbeit „Klagt! Kinder! Klagt“ – ein Mädchenchor ein, das den Figuren nachstellt und sie ermahnt.

Der nur knapp zwei Stunden kurze Abend, den Thomas Köck und seine Co-Regisseurin Elsa-Sophie Jach gestalten, ist sehr wortlastig und spielt in seiner eigenen, träumerisch-assoziativen Welt. Ihm fehlen dabei leider der Charme und Witz, der ihre Wiener Arbeit „Klagt! Kinder! Klagt!“ auszeichnet. Auch der Text ist diesmal nicht so konzentriert, sondern streckenweise ein Amalgam aus schon oft gehörten Versatzstücken von Patriarchats- und Kapitalismus-Kritik.

Die Reflexion über das drohende Ende der Demokratie, die auf dem Abendzettel mit interessanten Ausführungen über drei Szenarien des Harvard-Dozenten Yascha Mounk versprochen wurde, und über die Sehnsucht nach Jörg Haiders autoritärem Verfassungskonzept, auf das der Titel anspielt, kommt an diesem Abend in der Gaußstraße zu kurz.

Bild: Krafft Angerer

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