Totart Tatort

Der Mörder mit den Haifischzähnen hat alle Hände voll zu tun und ist schier am Verzweifeln. Gerade erst wurde Henrike Johanna Jörissen, die als fleischgewordenes Fünfziger-Jahre-Blondinen-Klischee mit flötender Stimme die Tatort-Titelsequenz nacherzählte, von ihm erdrosselt und ihre Leiche beseitigt. Mit Haifischgrinsen ist Wolfram Koch sichtlich mit sich zufrieden, als nach und nach weitere Leichen im engen Schacht zur Bluebox-Bühne auftauchen. Immer wenn sich Koch gerade den Schweiß abwischt und ein neues Opfer beseitigt hat, sieht er zunehmend panisch und mit Schreck-geweiteten Augen, dass schon das nächste Opfer bereitliegt. Serienmord wird zur Akkordarbeit und in Herbert Fritschs Sonntagskrimi-Persiflage gibt es schon in den ersten zehn Minuten fast so viele Tote wie in einer ganzen „Tatort“-Saison bis zur Sommerpause.

Damit ist der Ton für den restlichen Abend gesetzt: Herbert Fritsch und sein Ensemble machen sich mit groteskem Slapstick über eine der letzten heiligen Kühe des linearen Fernsehens lustig. Die Generation Netflix ist längst abgewandert, die öffentlich-rechtlichen Sender werden von ihnen als Rentner-Sender belächelt und von Rechtsaußen als „Lügenpresse“ verunglimpft. Außer wichtigen WM- und EM-Auftritten von Jogi Löws kriselnder Nationalmannschaft erreicht nur noch der „Tatort“ ein zweistelliges Millionen-Publikum.

Gekonnt ziehen die Spieler*innen die typischen Sonntagabend-Krimi-Sätze á la „Wo waren Sie gestern zwischen 14 und 17 Uhr?“ durch den Kakao, hantieren mit blauen Latex-Spurensicherungs-Handschuhen und bringen sich gegenseitig mit Spielzeugpistolen um. Zum Finale wird einer nach dem anderen aus dem Hinterhalt abgeknallt, da helfen auch keine Vorsichtsmaßnahmen und kein verstohlenes Schielen nach einem Notausgang.

Mit den Kostümen seiner langjährigen Weggefährtin Victoria Behr, die im Stil von Humphrey Bogart und Columbo diverse Beige-Töne variiert, und mit der Noir- und Krimi-Melodien sampelnden Musik seines ebenfalls langjährigen Partners Ingo Günther schafft Herbert Fritsch eine neunzigminütige Genre-Parodie, die wie üblich bei ihm Slapstick und loopartige Wortwiederholungen mixt. Da „Totart Tatort“ um ein klar umrissenes, handfestes Thema kreist, ist der Abend zugänglicher und weniger redundant als manche von seiner Fangemeinde umschwärmte dadaistische Volksbühnen-Experimente.

Genau wie das TV-Vorbild endet auch die Persiflage nach genau 90 Minuten. Genau rechtzeitig, denn der Stoff ist erschöpfend behandelt und hätte kaum noch mehr hergegeben. Noch besser wäre eine hochtourige 60 Minuten-Schnittfassung der besten Nummern aus dieser Revue, die einige Längen streicht.

Statt Anne Will gibt es nach „Totart Tatort“ – wie bei Fritsch üblich – eine besonders genau getimte Applaus-Ordnung, die in eine letzte Baller-Orgie mündet.

Bild: Tanja Dorendorf/ T+T Fotografie

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