De Living/Das Wohnzimmer

Starr sitzt eine schwarze Frau am Küchentisch. Vor sich ein antiquiertes Tischradio, an der Wand das mindestens ebenso altmodische Porträt des belgischen Königs Leopolds II., des ehemaligen Kolonialherrn über den Kongo. Langsam bewegt sie sich zum Herd, steckt ihren Kopf hinein und macht ihrem Leben ein Ende. Stechender Gasgeruch und tinntitusartige Störgeräusche machen diese Sterbeszene zu einem quälenden Erlebnis für alle Sinne.

Nach dem Suizid legt die Performerin den Rückwärtsgang ein. Nebenan in der linken Hälfte der Bühne taucht ihre Schwester auf. Doris und Nathalie Bokongo Nkumu widmen sich nun ihre ganz alltäglichen Verrichtungen: Abspülen, Staubsaugen. Wortlos, nur das Radio dudelt zwischendurch. An diesem statischen, bleiernen Abend ist nichts davon zu spüren, dass die beiden Schwestern aus Brüssel ansonsten als Hiphop-Tanz-Duo „Les Mybalés“ auftreten.

Fast während der gesamten 80 Minuten prasselt ein melodramatischer Klangbrei auf das Publikum ein: langgezogene Fieptöne und Feuerwehr-Sirenen, die an den Nerven zerren und die Ohren plagen. Bis sich der Suizid mit einem lauten Knall wiederholt und die Schwester den Abschiedsbrief findet.

Ersan Mondtags neues Stück „De Living“, das deutllich vom „Wunschkonzert“ von Franz-Xaver Kroetz inspiriert ist, ist eine minimalistische Performance, näher an der Installation als am klassischen Stadttheater. Ein Abend, der um sich selbst kreist und nicht über Kunstgewerbe hinauskommt. So minimalistisch wie das Stück war auch der Ankündigungstext am koproduzierenden HAU 2. Die Uraufführung fand bereits vor einigen Wochen an Milo Raus NT Gent statt.

Bild: Michiel Devijver

One thought on “De Living/Das Wohnzimmer

  1. Dietrich Rauch Reply

    Was mir gefallen hat, war die Entschleunigung und die sehr ruhige, gelassene Atmosphäre.
    Die minimalistische Beschreibung hat Stärken, ist aber, um die Spannung zu ungenau.
    Die Idee es Stückes ist gut, die dramaturgische Anordnung durchaus vielversprechend, aber es entsteht leider keine wirkliche Beklemmung, keine durchgehaltene Spannung, sodass man dem Geschehen atemlos und angespannt zuschauen würde, auch das Gegenteil geschieht nicht. Der stereotype gleichmäßige Ablauf zieht mich nicht wirklich in den Ablauf der Geschichte hinein, auch keine Gleichgültigkeit stellt sich ein. Es ist von allem ein bisschen und dadurch wird es leider langweilig.
    Das kann passieren, macht das Thema und den Versuch, sich ihm auf diese Weise zu nähern, nicht uninteressant, löst Nachdenken aus, aber keine Betroffenheit.

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