Habeck/Fischer über 40 Jahre Grüne

Zurecht ist Literaturfestival-Chef Ulrich Schreiber stolz auf diesen Coup: Robert Habeck, Liebling von Medien und linksliberalem Bürgertum, trifft auf Joschka Fischer. Zwei Generationen Grüner Politik. Ein öffentliches Gespräch der beiden gab es bisher anscheinend erst einmal, im Sommer 2015 in Kiel.

Schlohweiß ist das Haar von Joschka Fischer geworden: Mit den gewohnten Sorgenfalten und seiner markanten, leicht kratzigen Stimme verleiht ihm das die Aura eines Elder Statesman. Es zeugt von Stil, dass er sich nach dem Abschied aus der Politik sehr rar macht und nicht ständig seine Meinung zu allem und jedem herausposaunt. Das hebt Joschka Fischer von seinen roten Ex-Koalitionspartnern wie Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel wohltuend ab.

Der Abend beginnt mit einem Ritterschlag: Ja, der Robert mache das gemeinsam mit der Annalena sehr gut, lobt Fischer altersmilde. Damit ist der Ton für die kommenden 90 Minuten im Berliner HAU 1 vorgegeben: Ohne große Kontroversen plaudern Fischer und Habeck über die Weltlage, die große Verantwortung der Politik in Zeiten von Trump, Klimakrise und Brexit und vor allem über die Lust am Regieren und Gestalten, die Habeck und Fischer verbindet.

Phoenix-Moderatorin Anke Plättner passt sich dem Kuschel-Talk an und beschränkt sich auf die Rolle als Stichwortgeberin. Erst spät kommen ein paar Emotionen auf. Fischer erreicht langsam die Betriebstemperatur, mit der er in den Bundestagswahlkämpfen 2002 und 2005 die Marktplätze rockte und den Römerberg füllte, wie er ganz unbescheiden anmerkt. Natürlich lässt sich Joschka Fischer die Steilvorlage nicht entgehen, die ihm die grottenschlechte Performance der 3. GroKo bietet. Szenenapplaus, als er Merkel und ihr Kabinett als ideenlos und wegen „eingeschlafener Füße“ kritisiert.

In Fahrt gekommen, knöpft sich Fischer nun die AfD vor: sie „reden wie Nazis“, sie „riechen wie Nazis“. Da helfe nur klare Kante. Robert Habeck will da nicht mitgehen und liefert den einzigen Dissens des Abends. In seinen typischen langen Satzgirlanden, die sich wie ein Besuch im Wellness-Bad anfühlen und so vernünftig klingen, wirbt er um Verständnis für die Besorgten und Abgehängten. Den Rechten müsse man eine positive Erzählung von der Demokratie entgegen halten. Das sei die zentrale Aufgabe, die Annalena und Robert sich an der Spitze einer „Orientierungspartei“ vorgenommen haben.

Die Methode Habeck wirkt: Die Debatte hat sich sofort wieder beruhigt. Dass es ihm wieder einmal gelungen ist, sein Image als besonnener Sympathieträger mit psychologischem Einfühlungsvermögen und philosophischem Background zu untermauern, beweist der Applaus, der diese Passagen zum Rechtspopulismus besonders oft und lautstark unterbricht.

Wohltemperiert klingen die letzten Minuten des Gesprächs aus. Natürlich lässt sich Habeck weder etwas über seine Wunsch-Koalition noch darüber, ob er mit Fischer in regelmäßigem SMS-Kontakt stehe, entlocken.

Bild: Ali Ghandtschi

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