Ad Astra

Aus schwindelnder Höhe stürzt Roy McCabe bei Wartungsarbeiten an einer Weltraumantenne ab: Allein schon wegen dieser von Hoyte van Hoytema meisterhaft gefilmten Eröffnungssequenz lohnt sich das Weltraum-Epos „Ad Astra“. Der niederländische Kameramann arbeitete zuletzt vor allem mit Christopher Nolan („Interstellar“, „Dunkirk“) zusammen und drückt diesem Film von James Gray seinen Stempel auf.

Die dramatischen Momente, auf die Hollywood-Kino wie diese 20th Century Fox-Produktion natürlich nicht verzichten kann, setzt er sehr routiniert und bildstark in Szene: den hilflos durch das Al taumelnden Hauptdarsteller, den Kampf mit einem Menschenaffen, der auf einer Tierversuchsstation gequält wurde, oder die Verfolgungsjagd mit einer Piraten-Gang.

Genauso gekonnt filmt van Hoytema die Passagen, die den größten Teil des Films ausmachen: Elegant gleitet das Raumschiff dahin, immer weiter an den Rand der Zivilisation, in das Herz der Finsternis. Genauso gleichmäßig wie der Ruhepuls der Hauptfigur (Brad Pitt) schlägt, fließt auch die Erzählung dahin, die von einem raunenden, philosophisch angehauchten Off-Kommentar begleitet wird. Dies hätte leicht in Kitsch abgleiten können und wurde von manchen Kritiker*innen auch als langweilig abgetan. Mich hat es überzeugt, da Gray/van Hoytema ihre filmische Idee so konsequent umsetzen, dass es sich zu einem stimmigen Ganzen fügt.

Eine positive Überraschung von „Ad Astra“ ist Brad Pitt: er hat sich vom Image des jugendlichen Sex-Symbols und den Glamour-Schlagzeilen über das „Brangelina“-Traumpaar gelöst und reifte im Gegensatz zu seiner Ex-Partnerin zu einem Charakterdarsteller, der auch große Leinwand-Epen für A-Festivals tragen kann.

Der Film folgt ihm auf seiner Selbstfindungs-Reise, die mit klassischen Topoi spielt: Im Zentrum steht die Auseinandersetzung des Sohns mit seinem Vater (Tommy Lee Jones), der sich wie Colonel Kurtz aus dem Roman „Herz der Finsternis“ in einen Machbarkeitsrausch hineingesteigert hat. Seinem Ziel, außerirdisches Leben zu finden, ordnet McCabe senior alles unter und geht dabei im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen.

Mit feiner Ironie zeichnet „Ad Astra“ die Reise zu diesem letzten Außenposten der Zivilisation nach, an dem sich der Vater verschanzt hat. Der Mond ist in diesem Sci-Fi-Drama ein von vom des Weltraum-Bahnhofs bequem erreichbarer Ort, der mit seinen „DHL“- und „Subway“-Filialen den austauschbaren Retortenkulissen an den Flughäfen der globalisierten, irdischen Metropolen zum Verwechseln ähnlich sieht. Auch diese kleinen Beobachtungen machen den Film reizvoll.

Seine Premiere feierte „Ad Astra“ im September in Venedig und ist nun einer der Anwärter auf einen Oscar. Die entschleunigte Erzählweise und der leise raunende Kommentar schlagen einen ganz eigenen Ton an, der aus der normierten Massenware voller Sequels, mit denen die Hollywoodstudios den Weltmarkt überschwemmen, angenehm heraussticht.

Bilder: © 2019 Twentieth Century Fox

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