Deutschstunde

Sehr plakativ treffen hier Gut und Böse aufeinander: Auf der einen Seite steht der expressionistische Maler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti), der sich ganz auf seine Kunst konzentrieren möchte und von den Nazis mit einem Berufsverbot und der Verbrennung seiner Bilder schikaniert. Mit blütenreiner Weste verkörpert er das Edle und die Kunstfreiheit. Sein Widerpart ist der Dorfpolizist Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen), der Prototyp des bornierten Mitläufers, der auf die Einhaltung der Regeln pocht und seine Familie ebenso autoritär kujoniert wie alle Dorfbewohner.

Schon Siegfried Lenz hat diesen Gegensatz in seinem Nazi-Aufarbeitungs-Roman „Deutschstunde“ angelegt, der 1968 zunächst zum Bestseller und dann zum Schullektüre-Klassiker wurde. In seiner ansonsten sehr werktreuen Literaturverfilmung spitzte Regisseur Christian Schwochow diesen Schwarz-Weiß-Antagonismus weiter zu, indem er den letzten Schatten von der Maler-Romanfigur nahm: Lenz deutete noch an, dass sein Nansen für kurze Zeit ein Parteigänger der Nazis gewesen war, in der neuen Verfilmung ist jeder Makel in der Biographie des Malers getilgt.

Im Namen seiner künstlerischen Freiheit kann Schwochow diese Geschichte natürlich so erzählen. Das Problematische daran ist allerdings, dass er dabei aktuelle kunstgeschichtliche Debatten, die bis ins Kanzleramt führten, schlicht ausblendet. Weithin unbestritten ist, dass Lenz für seinen heroischen Maler ein reales Vorbild im Kopf hatte: Emil Nolde. Auch ihm setzte er mit seinem Roman-Erfolg ein Denkmal. Neuere Forschungen und eine große, gerade zu Ende gegangene Werkschau lassen den berühmten Maler allerdings in einem wesentlich ungünstigeren Licht erscheinen: Seine Verstrickung mit den Nazis war tiefer und seine Gesinnung problematischer als uns eine frühe Biographie aus den 1950er glauben machen wollte, auf die sich Lenz stützte. Die Feuilletons machten der gediegenen Neuverfilmung deshalb zurecht den Vorwurf, dass Schwochow diese aktuellen Debatten und Neubewertungen schlicht ausblendet.

Dem Film ist allerdings zugute zu halten, dass er seine Geschichte ästhetisch ansprechend und handwerklich sehr solide erzählt. In düsteren Farbtönen und mit schön gefilmten Naturaufnahmen der herben nordfriesischen Landschaften präsentiert Schwochow das Aufeinanderprallen der beiden Männer. Zwischen die Fronten gerät Jepsens Sohn Siggi (gespielt in den Rückblenden von Kinderdarsteller Levi Eisenblätter, in der Rahmenhandlung beim Besinnungsaufsatz in der Besserungsanstalt verkörpert von Tom Gronau).

Zwar ohne besondere Raffinesse wie noch in seiner Serie „Bad Banks“ und ohne besondere Höhepunkte, aber mit routinierter Professionalität erzählt Schwochow den bekannten Roman-Plot.

Bild: © Network Movie / Wild Bunch Germany 2019 / Georges Pauly

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