RCE #Remotecodeexecution

Schwere Wochen hat das Berliner Ensemble hinter sich. Die ersten beiden Premieren des Jahres, „Die schmutzigen Hände“ von Mateja Koležnik und „Sterben, Lieben, Kämpfen“ von Yana Ross überzeugten künstlerisch nicht. Dann brach auch noch ein Wasserschaden herein, der enormen Schaden anrichtete und einen Notspielplan erforderlich machte.

Unter diesen Vorzeichen wäre es schon sehr anerkennenswert gewesen, sich irgendwie zur Sommerpause zu retten, die Trümmer zu beseitigen und mit frischerf Kraft anzugreifen. Doch das Berliner Ensemble überraschte in dieser Woche mit zwei Triumphen. Erst durfte die Pressestelle drei hochkarätige Neuzugänge aus Hamburg verkünden, darunter auch den Iffland-Ring-Träger Jens Harzer, die 2025 vom Thalia ans BE wechseln.

Dann überzeugte auch die letzte Premiere der Saison auf der großen Bühne: Kay Voges verrannte sich nach dem Borderline-Prozession-Überraschungserfolg (Dortmunder Theatertreffen-Einladung 2017) zu oft in digitalen Spielereien. Seine Regie-Arbeiten in Berlin waren aufgeblasenes Kassengift wie „Parallelwelt“ oder verschwanden schnell vom Spielplan wie „Totentanz“. Eine glücklichere Hand hatte er als Intendant am Wiener Volkstheater, wo er zwei Theatertreffen-Einladungen erntete und Claudia Bauers „humanistää„-Hit ermöglichte. 

Die Vorzeichen waren also nicht die besten, als sich Voges und sein Team auf der Probebühne daran machten, die Arbeit an Sibylle Bergs Roman „RCE #Remotecodeexecution“ trotz aller Widrigkeiten fortzusetzen. Der Premieren-Termin am vergangenen Donnerstag, der unglücklicherweise auch noch mit dem Abschied des verstorbenen Volksbühnen-Intendanten kollidierte, der viel mediale Aufmerksamkeit absorbierte, konnte nicht nur gehalten werden, sondern wurde zum künstlerischen Erfolg.

Eine ganze Armada an Digital Artists hat Voges beauftragt, den Plot der Hacker und Nerds, die eine apathische Gesellschaft mit Fake-Schockmeldungen wachrütteln, mit Video-Arbeiten zu rahmen. Minutiös sind die Digital-Arbeiten auf den häufig von einem Quintett im Chor gesprochenen Text abgestimmt. „Eine Revolution, zu der man tanzen kann“, lautet die leitmotivische Forderung von Maximilian Diehle, Max Gindorff, Pauline Knof, Amelie Willberg und Paul Zichner, die in ihrer kleinen Science Fiction-Wabe in der Bühnenmitte tatsächlich auch einige tänzerische Einlagen bieten.

Bild: Moritz Haase

Ein junges Ensemble, der bittere Humor der Bestseller-Autorin und Europawahl-Kandidatin und die digitale Experimentierfreude des Regisseurs gehen hier eine glückliche Verbindung ein, die dem Berliner Ensemble in seinem annus horribilis einen Erfolg beschert.

Vorschaubild: Marcel Urlaub

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