Und morgen die ganze Welt

Einen denkbar ungünstigen Kinostart-Termin erwischte das Antifa-Drama „Und morgen die ganze Welt“: Nach nur vier Tagen kommt der Lockdown und bleibt die Leinwand schwarz.

Diese arte-Koproduktion, die bereits im September im Wettbewerb von Venedig lief und gerade auch bei den Hofer Filmtagen zu sehen war, hat jedoch durchaus Aufmerksamkeit verdient: In jeder Einstellung der hektisch flimmernden, adrenalingesättigen Bildern wird spürbar, wie ernst es Julia von Heinz, die lange als Unterhaltungskino-Regisseurin (z.B. „Hanni & Nanni 2“) mit diesem sehr persönlichen Autorinnen-Werk ist. In „Und morgen die ganze Welt“ steckt viel Autobiographisches: Als sie 15 war, wurde sie von Neonazis überfallen. Wie die Hauptfigur Luisa schloss sie sich der Antifa an und begann ein Jura-Studium, das sie jedoch nach zwei Semestern abbrach.

Jahrelang warb von Heinz für dieses Projekt. Nach den Attentaten von Hanau und Halle und nach dem Mord an Walter Lübke kann niemand mehr die Augen davor verschließen, wie real der rechte Terror in diesem Land ist. „Und morgen die ganze Welt“ verhandelt die Frage, wie die Gesellschaft darauf reagieren soll: mit Demos und Mahnwachen eines breiten linken Bündnisses aus Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, wie es die Figur „Batte“ und der Rest der „Hippiefraktion“ in dem linken Wohnprojekt vorschlagen? Oder mit Gegengewalt, die Alfa und Lenor propagieren und die auch von Kevin Rittbergers Sprech-Chor „Schwarzer Block“ am Gorki Theater als Strategie erörtet wurde.

Deutschland. Dachau. Am Set von Und morgen die ganze Welt. Foto: Oliver Wolff

Zwischen diesen Fronten steht Luisa, verkörpert von Mala Emde, einer der begabtesten jungen Schauspielerinnen. Ihr kühler, leerer, fast maskenhafter Blick wurde in vielen Rezensionen von Süddeutscher Zeitung bis SPIEGEL gewürdigt. Sie ist Teil eines starken Ensembles, das diesen Film trägt: Noah Saavedra (aus dem Ensemble des Münchner Residenztheaters) spielt den Anführer Alfa, der mit seinem Sex-Appeal verführt, mit seinen Macho-Posen polarisiert und dennoch immer wieder Verletzlichkeit durchschimmern lässt. Tonio Schneider ist Lenor, der anfangs nur wie Alfas Wasserträger wirkt und sich im Lauf des Films als eigenständige Figur behauptet. Luisa-Céline Gaffron überzeugt als Batte, die Luisa erst in die linke Szene hineinholt, sich aber nach deren Radikalisierung mehr und mehr von ihrer Schul-Freundin entfremdet. Andreas Lust spielt den desillusionierten Dietmar, der seine Haftstrafe für einen Anschlag auf Siemens abgebüßt hat, den alten Maximen abgeschworen hat und nun als Krankenpfleger arbeitet.

Dieses überwiegend sehr junge, aber hoch talentierte Ensemble prägt einen Film, der sich mit schnellen Schnitten mitten ins Getümmel begibt und dann am stärksten ist, wenn er auf pure Emotion setzt und damit auch über schwächere Drehbuch-Passagen hinwegsehen lässt.

Bilder: Alamode Film

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