Kabarettistischer Jahresrückblick 2022

Erst nach der Pause kommt sie kurz zurück auf die Bühne: mehr als zwei Jahrzehnte führte Angela Merkel alias Christoph Jungmann mit Grandezza durch den Kabarettistischen Jahresrückblick im Mehringhoftheater und in der Komödie am Ku´damm. Nachdem sie sich in den politischen Ruhestand verabschiedet hat, liest sie diesmal nur ein kleines Kapitel aus ihren Memoiren und plaudert mit ihrem Nachfolger in der Gastgeber-Rolle.

Robert Habeck wird glänzend parodiert von Hannes Heesch: nicht nur äußerlich ist die Ähnlichkeit beachtlich, auch den ganz eigenen Habeck-Duktus aus metaphernreichen Platitüden, kumpelhaft-jovialem Ton und Achtsamkeitsfloskeln trifft Heesch in seinen Moderationen sehr genau. Der Vize-Kanzler löst nach der Pause die dauerlächelnde Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ab, die sich selbst eingeladen hat, aber dann doch dringend zur Weihnachtsfeier der SPD Rudow weiterziehen muss. Christoph Jungmann kommt in seiner Parodie dem Original ebenfalls erstaunlich nah, vor allem in der Videoschalte mit Elon Musk, der davon träumt, Hertha und Union zu kaufen und das Stadtschloss zur neuen Firmenzentrale von Tesla, Twitter und Co. zu machen.

All die großen und viele kleine, bunte Themen des Jahres werden mit kabarettistischer Ironie verhandelt: der Überfall auf die Ukraine und das Ringen mit dem Pazifismus im Klavier-Intro von Manfred Maurenbrecher, das Mitteilungsbedürfnis der Medien-Intellektuellen in ihren Offenen Briefen in einem Text von Bov Bjerg, die skurrilen Rituale beim Begräbnis der Queen in einer Ensemble-Nummer und natürlich wie immer auch die herrlich-schrägen Alltagsbeobachtungen, in die sich Horst Evers mit großen Augen einspinnt.

Der „Kabarettistische Jahresrückblick“ des bewährten Teams bietet auch 2022 einen gelungenen Abend. Nur selten gibt es schwächere Nummern, dagegen viele Glanzlichter wie die genannten Parodien. Als Hommage an „Gangsta´s Paradise“ von Coolio bekommt die Deutsche Bahn für ihre chronische Unzuverlässigkeit ihr Fett weg, bevor aus aktuellem Anlass noch mal der Vorjahres-Hit als Zugabe läuft: Annette Humpes NDW-80er Jahre-Hymne „Ich fühl´ mich gut, ich steh´auf Berlin“ dichtete das Quintett zu „Ich fühl´mich gut, ich wähl´in Berlin“ um und stimmte mit diesem Pannen-Spott auf die anstehende Nachwahl im Februar ein.

Bild: David Baltzer

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert