Zum Abschluss der Lessingtage gastierte Lisaboa Houbrechts mit einer ebenso wuchtigen wie düsteren belgischen Familiensaga am Thalia Theater. Der Großvater (Stefaan Degand) erinnert sich mit seiner Enkelin an traumatische Missbrauchserfahrungen als Ministrant durch einen katholischen Pfarrer.
Houbrechts überfrachtet ihre autobiographisch inspirierte Geschichte durch ein Übermaß von Theatermitteln. Die Choräle aus Johann Sebastian Bachs Johannespassion begleiten den Leidensweg der Familie, der vom Missbrauch bis zu Krebserkrankungen reicht. Zwischen Tanzeinlagen, Rap, Hiphop und Akkordeon thront in der Mitte der Bühne ein schwarzer Quader, der die Figuren so zu erschlagen droht wie die Theatermaschinerie den Plot.
Die junge Regisseurin setzt in ihrer Cross-over-Produktion aus Tanz (laGeste, ehemals les ballets C de la B), Oper (Opera Ballet Vlaanderen) und Schauspiel (Toneelhuis Antwerpen, dort ist sie seit 2022 im Leitungsteam) in der zweiten Hälfte stärker auf das Wort. Der Abend steuert auf das Rededuell des Missbrauchsopfers (Degand) mit der Großmutter zu: Er hat den Glauben an Gott verloren und hasst die katholische Kirche, in deren Namen ihm so schweres Leid zugefügt wurde. Für sie bleibt die Religion der zentrale Anker ihres Lebens. Auf die Theodizee-Frage, wie ein angeblich allmächtiger Gott das zulassen könne, rechtfertigt sie sich mit den klassischen, theologischen Argumenten. Die Rolle der gläubigen Frau spielt Elsie de Brauw, die mit Johan Simons ans Schauspielhaus Bochum kam.
Bilder: Kurt Van der Elst