Die Deutsche Kinemathek stellte ihre diesjährige Berlinale-Retrospektive unter das Motto „Der andere Film“. Dahinter verbergen sich mehr oder minder bekannte Ausgrabungen aus der jüngeren deutsch-deutschen Vergangenheit.
In dieser Reihe lief „Banale Tage“, ein skurriler, kleiner Film und eine der letzten DEFA-Produktionen, die sich aus zwei Gründen lohnt. Zum einen kann man hier Florian Lukas in seiner allerersten Rolle erleben. Er spielt den Teenager Michael Wagner, der – wie es für sein Alter üblich ist – nach seinem Platz im Leben sucht. Seine Selbstfindung fällt in eine Zeit, in der alle Erwachsenen um ihn herum ihre Gewissheiten verlieren. Die Schuldirektorin (Astrid Meyerfeldt) hat noch Bilder von Honecker und Marx in ihrem Büro hängen und versucht, ihn mit dem vertrauten Vokabular auf Parteilinie zu bringen, aber ihre Autorität ist dahin. Hier sind wir beim zweiten Grund, warum sich diese 1991 beim Max Ophüls-Festival ausgezeichnete Fingerübung auch heute noch lohnt: Die Produktion atmet den anarchischen Geist der Aufbruchstimmung des Sommers zwischen Mauerfall und Einheit. Zwischen Helmut Kohl-Parodien und dem Besetzen verlassener Wohnungen von „Republikflüchtlingen“ suchen alle Figuren nach Halt im Leben, sehen dabei aber nicht so cool aus wie Michael und sein bester Freund Thomas (Christian Kuchenbuch).
Geändert hat sich seit 1990 so manches, aber das Foyer der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz sieht noch fast genauso aus. Dort spielt ein Strang der Haltung: Michaels Vater Peter Wagner versucht sich dort als Regisseur, der eine Premiere in den Sand gesetzt. Er wird gespielt von – Vorsicht, Insidergag – Kurt Naumann, der in jenen Jahren mit Frank Castorf aus Anklam an das Haus kam und dort in vielen Inszenierungen des Intendanten zu sehen war, der diese Bühne und die deutsche Theaterlandschaft in den folgenden zweieinhalb Jahrzehnten prägen sollte.
Vorschaubild mit Florian Lukas in „Banale Tage“: © DEFA-Stiftung / Michael Schaufert