In seinem voluminösen Lesedrama zeichnete Karl Kraus nach, wie eine nationalistische Gesellschaft in den ersten Weltkrieg hineintaumelt. Aus der Flut von Personen und Szenen haben Regisseur Dušan David Pařízek und sein Team eine Fassung destilliert, die sich auf sieben Personen konzentriert. Diese sind um die sensationslüsterne Kriegsreporterin Alice Schalek (Marie-Luise Stockinger) und der Nörgler, ein kommentierendes Alter ego von Karl Kraus (Elisa Plüss), herumgruppiert.
Als roter Faden zieht sich das Spiel mit den Dialekten durch die Miniaturen: von Wienerisch bis Hanseatisch, von Rheinhessisch bis Schweizer Akzent entsteht ein bunter Bogen, der Spaß macht, während der mehr als drei Stunden als „running gag“ aber auch totgeritten wird.
Glanzstück der Inszenierung ist natürlich das Starensemble des Wiener Burgtheaters, das diese Aufführung der Salzburger Festspiele koproduziert und zur Eröffnung der neuen Spielzeit ins Repertoire übernimmt. Branko Samarowski, einer der Helden aus der Ära des kürzlich verstorbenen Burgtheater-Direktors Claus Peymann, spielt den Patrioten, der von einem schnellen Sieg in zwei, maximal drei Wochen ausgeht und immer kleinlauter wird. Ein Ehehöllen-Duell liefern sich Michael Maertens und Dörte Lyssewski als deutscher Diplomat Sigmund Schwarz-Gelber und seine überkandidelte Schauspieler-Gattin Elfriede Ritter-Schwarz-Gelber.
Für Kabinettstückchen ist gesorgt, schon in der ersten Hälfte gibt es aber immer wieder Längen. Nach der Pause zerfasern „Die letzten Tage der Menschheit“ zusehends. Pařízek, der sein Markenzeichen, die Overhead-Projektionen, ebenso exzessiv einsetzt wie die Live-Videokamera, neckt das Publikum mit mehreren vermeintlichen Schluss-Szenen, bevor das Ensemble neu setzt und stets rhetorisch in den Saal fragt: Was fühlen Sie jetzt?
Dramaturgisch holpert es gegen Ende der langen drei Stunden gewaltig. Die schauspielerischen Glanzlichter und die Dialekt-Nummernrevue können nicht kaschieren, dass Pařízek sichtlich Probleme hatte, den schwer spielbaren Stoff in den Griff zu bekommen. Zuletzt versuchte sich Paulus Manker in einem monumentalen Wimmelbild in einem Stationen-Parcours, den er in einer ehemaligen Industriehalle in der Berliner Peripherie baute, an diesem Klassiker des 20. Jahrhunderts.
Bilder: Tommy Hetzel/BURG